Fazit:
Die Archäologie in Computerspielen mag zwar oft oberflächlich sein – für eine archäologische Beschäftigung mit Computerspielen aber stimmt das genaue Gegenteil. Die Nutzungsmöglichkeiten seitens der Archäologie betreffen die materielle Form der Computerspiele, deren Bergung im als Artefakte ihrer Zeit und Dokument der Industriegeschichte als auch das Auffinden vergangener Programme und verlorener Spiele welche als Produkte kreativen Schaffens, und als Dokumente einer schnelllebigen Kunst- und Kulturgeschichte zu erhalten sind.
Bei Projekten wie „Hullcraft“ handelt es sich um erste Versuche, mögliche Verfahren zu entwickeln um Computerspiele (oder virtuelle interaktionsräume) als archäologisches Medium zu nutzen. Virtuelle, online verfügbare Orte des Austauschs und der Erfahrung mitsamt ihren verschiedenen Spielarten werden die herkömmlichen Archive und Medien ablösen. Die Archäologen sind bereits seit einigen Jahren mit der Digitalisierung ihrer Datenbestände beschäftigt, und bei der Frage, welches das geeignete Speichermedium oder die passende zukünftige Umgebung für die digitalisierten Daten aus archäologischen Archiven sein kann, steht eine virtuelle (Computerspiel-) Umgebung hoch im Kurs. In einer solchen Umgebung können alle bisherigen Dokumente einstiger Materialität sinnvoll miteinander verknüpft werde. Computerspiele vereinen, wie Anfangs bereits erwähnt, alle bisherigen Medien in sich. In dieser Form, unter Ausnutzung der „Kulturtechnik Computerspiel“ können die digitalisierten Archivdaten sinnvoll transferiert und neu kombiniert werden. Durch Nutzung von Internet-Technologien ist die Frage nach dem physikalischen Trägermedium und dessen Ort obsolet geworden. Die dezentralen Speicherungsverfahren der Netzwerke halten die Daten verfügbar.
Viele Archäologen, gerade in Deutschland, sind oft in Sorge, die Seriosität ihres Faches könnte durch eine Öffnung gegenüber den Medien oder als am Produktionsprozess beteiligte Institution Schaden nehmen (vgl. Holtorf 2002, S. 129 und Veit 2006, S. 202-204). Das kann zu einem Spezialistentum führen, mit der Folge, dass die Archäologie immer stärker in sich selbst Fragmentiert. In manchen Bereichen mag dies sinnvoll und nicht anders möglich sein, der Bezug zur Öffentlichkeit und Gegenwartskultur wird jedoch in Mitleidenschaft gezogen hinsichtlich solcher Tendenzen. Die schlechte Arbeitssituation fördert hierarchische Strukturen innerhalb der Archäologie und erschwert die Erprobung neuer, vielleicht unkonventioneller, Betätigungsfelder.
Die Archäologie in Deutschland lässt sich zudem von anderen Fachbereichen das Wasser abgraben, welche ironischerweise suggerieren Teil der Archäologie[1] zu sein. Knut Ebeling charakterisiert die Archäologie als eine Wissenschaft deren Erkenntnisse abhängig sind von den angewandten Verfahren zur Sicherung der Spuren aus der Vergangenheit. Eine Rekonstruktion die durch Verwendung zeitgemäßer Technologien erneut vollzogen werden muss und wird. Auch die Archäologie wird die neuen Medien und die Technologien erlernen um diese adäquat einsetzen zu können.
Noch sind es z.B. Informatiker und Medienwissenschaftler die Archäologie betreiben. Die Archäologie war stets darauf bedacht andere Wissenschaftsbereiche zu integrieren. Sie enthält Bereiche aus Geologie, Soziologie, Ethnologie und Philosophie als auch naturwissenschaftliche Messverfahren. Nicht zu vergessen werden sollten Methoden der Dokumentation und Archivierung. Die Archäologie, da bin ich von überzeugt, wird sich auch in Zukunft anderen Fachbereichen und Wissensgebieten öffnen und fachfremde Methoden integrieren. Einzig aus dem Grund weil man um Archäologie betreiben zu können, über Kenntnisse der zur Speicherung und anschließenden Verwertung der geborgenen Spuren und Daten angewandten Verfahren und Technologien verfügen sollte. Alles andere würde bedeuten, sich selbst auszusperren und den Schlüssel wegzuwerfen.
Auch gehört es in diesem Zuge zu den Aufgaben der Archäologie, Konzepte zu entwickeln um unser digitales Kulturerbe zu bewahren, gerade wenn die Archäologie selbst zu den Produzenten virtueller Computerspielräume gehören wird und Einfluss auf dieses Medium geltend machen möchte. Dafür muss man sich mit dem Phänomen Computerspiel, und den Möglichkeiten und Charakteristika, die mit diesem Medium einhergehen auseinandersetzen.
Aus diesem Grund habe ich Positionen dargestellt, die Archäologen in der Rolle eines Vermittlers, eines Mediators sehen. Mittels Crowdfunding und Anschluss an kleinere, unabhängige Produktionen könnte Archäologen zu Produzenten von Computerspielumgebungen werden. Damit lassen sich die Wissen- und Denkstrukturen vermittelnden Computerspiele als Werkzeuge nutzen, wie es auch bereits geschieht. Archäologen könnten so die Kontrolle über den Produktionsprozess erlangen und es bestünde nicht die Gefahr, sich in irgendeiner Weise den kommerziellen Interessen großer Computerspielfirmen unterordnen zu müssen.
Für die Archäologie kann dies nur eine Bereicherung darstellen, inhaltlich, als auch die Schaffung neuer Betätigungsfelder und die Entstehung neuer Arbeitsplätze betreffend. Bald sind es vielleicht überwiegend die virtuellen Welten die erforscht und dokumentiert werden müssen, und innerhalb derer die Vergangenheit immer wieder neu verhandelt wird. Gerade weil die Archäologie selbst auf die Möglichkeiten dieses neuen Mediums angewiesen ist. Habe ich Anfangs darin die Chance gesehen, mit den großen Firmen zusammenzuarbeiten so liegt jetzt der Fokus auf dem Bereich der unabhängigen Produktionen oder bei Projekten die durch öffentliche Mittel gefördert werden können, auch dem Prinzip der Transparenz und den freien Zugang zu Informationen und die Möglichkeiten ihrer Weitergabe nicht zu gefährden.
Ich habe aufgezeigt das es verschiedene, ergiebige Ansätze gibt dem Thema Computerspiel im Rahmen einer Archäologie habhaft zu werden. Zu Beginn der Arbeit habe ich den Fokus auf Simulationen und Strategiespiele gelegt aber feststellen müssen, dass die existierenden, kommerziellen Produkte (im Auslieferungszustand) meist nur ein eingeschränktes Potential, eine archäologische Spielweise und hinsichtlich der Weitergabe von historischem Wissen, aufweisen.
Spiele die modifizierbar sind wie „The Elder Scrolls V: Skyrim“ oder „Civilization V“, zeigen das auch ohne archäologische Beteiligung, und besonders durch private Initiative der Spieler detailreiche und visuell beindruckende historische Rekonstruktionen entstehen können. Das erlaubt einen Vorgeschmack darauf was durch konsequentere Ausnutzung des Mediums im archäologischen Sinne und durch aktive Beteiligung z.B. durch Verwendung von Umgebungen wie „Minecraft”, auch im institutionellen Rahmen möglich ist.
Die Archäologie benötigt ohnehin Konzepte und Verwendungsmöglichkeiten für die Daten die mittels neuer Technologien wie mobilen Umgebungsscannern (3D Scanner“, oder „Augmented Reality“)[2] bereits fleißig gesammelt werden. Wo sonst sollten diese Daten Untergebracht werden als in den ihrer Natur entsprechenden virtuellen Erfahrungswelten, deren Vorbild Computerspiele sind. Auch entsprechende Ausgabegeräte wie „Virtual Reality Brillen[3]“ erreichen gerade Preisregionen die Sie für alle erschwinglich und somit nutzbar machen.
Projekte wie „Hullcraft“ verdeutlichen die verschiedenen Perspektiven die sich aus der Nutzung von Computerspieltechnologie ergeben können. Hullcraft ist als Lehr- und Lernumgebung für beide Seiten hilfreich, was die Aneignung von historischem Wissen durch spielerische Rekonstruktion als auch was die Konzepte angeht, die bei der Erschaffung eines solchen Rahmens entwickelt werden. Auch ist es ein schönes Beispiel für die erfolgreiche Öffnung der Archive und das Einbeziehen einer interessierten Öffentlichkeit. „Hullcraft“ versucht damit den Anforderungen und Möglichkeiten des Digitalzeitalters gerecht zu werden. Und noch etwas zeigt sich, womit ich abschließend auf das Kapitel „Game Studies“ und die „Narratology vs Ludology“ Debatte zurückkommen möchte. Ich komme aus einer archäologischen Perspektive zu folgendem Ergebnis:
Ein archäologisches Spiel benötigt keine Narration oder Moderation. Die archäologische Narration muss sich vielmehr aus der Konsequenz der implementierten Spielmechanik und der Beschaffenheit, dem Arrangement der Objekte und Beschaffenheit der Spielwelt selbst, ergeben. Wenn der Spieler die Umgebung und die Bedeutung der Objekte und die Beziehung derer untereinander selbst mittels eigener Interpretation Bedeutung geben und einen Sinn herleiten kann, und dieser die Spielwelt erklärt, kann man von einer archäologischen Spielweise, bzw. von einer Spielumgebung sprechen die alle Voraussetzungen erfüllt, die nötig sind. Genauso wenig wie der Archäologe auf schriftliche Quellen angewiesen ist, braucht ein archäologisches Spiel keine Narration im herkömmlichen Sinne. Hier und da eine informative Brücke, den Rest ist Aufgabe des Spielers. Die Entwickler müssen eine Umgebung erschaffen die so ein Vorgehen unterstützt, durch Einsatz der Möglichkeiten welche modernes Game Design in Bezug auf „environmental storytelling“ bietet. „Hullcraft“ verfügt über viele der Eigenschaften die nötig sind um als archäologisches Spiel oder Spielumgebung zu gelten. Es bleibt spannend die zukünftigen Entwicklungen auf diesem Gebiet zu verfolgen. Spielen ist inzwischen weit verbreitet und zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten, so das auch ein entsprechendes Publikum für Spiele mit komplexeren, archäologischen Inhalten vorhanden ist. Wenn entsprechende Fernsehdokumentationen ihre Zielgruppe haben, dann gilt das mittlerweile umso mehr auch für Computerspiele.
[1] Z.B. die „Computerarchäologie“ Stefan Höltgens (Höltgen 2014), welcher dies als Symbiose von Informatik und Ingenieurswissenschaften versteht.
[2] Vgl. der „Structure“ Sensor der Firma Occipital, Inc.
http://structure.io/, Stand 10.01.2015.
[3] Vgl. die Occulus DK2 VR Brille der Firma Oculus VR, LLC.
https://www.oculus.com, Stand 10.01.2015.