Einleitung
Streng genommen handelt es sich hierbei eher um einen historischen als archäologischen Ansatz. Da ich mir aber vorgenommen habe Fallout 4 Schritt für Schritt zu analysieren (Je nachdem wie Zeit und Spieltrieb es erlauben) möchte ich mit dem Intro beginnen. Es bietet sich ein Vergleich an mit dem Intro des ersten klassischen Teils der Serie, Fallout (1997) von Interplay. Hier werde ich die Unterschiede Aufzeigen welche sich mir beim Anschauen offenbart haben und ich möchte versuchen, diese in den historischen Kontext zu überführen, und prüfen wie und ob die Veränderungen im Kontext aktueller politischer Strömungen und spezifischer Ideologien zu fassen sind. Zwar bin ich Kenner der ersten drei Teile von Fallout, jedoch möchte ich das Intro für sich nehmen und beschreiben wie dieses auf mich wirkt und ggf. Schlüsse daraus ziehen. Ich möchte hierbei explizit erwähnen das ich bei dieser Analyse nicht alle Erläuterungen und Querverweise nutzen kann und möchte, da diese mittlerweile mehrere Wikis füllen. Auch kann ich nicht alle Nebenquests und erklärende Items (gerade der neueren Serienteile) berücksichtigen, obgleich sich hier evtl. noch Randnotizen zum fiktiven Geschichtsverlauf finden. Wichtig sind mir Elemente die jeder Spieler zwangsläufig beim einmaligen Durchspielen mitbekommt und für welche kein spezifisches Fachwissen über die Spielwelt benötigt wird. Ich verfahre getreu dem Motto „Wie gesehen und gespielt “. Viel Spaß beim Lesen des ersten Teils der Analyse von Fallout 4.
Das Intro
Wenn man bedenkt, dass sich nach heutigen Erkenntnissen die Behauptung die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki wären Kriegsentscheidend gewesen, kaum aufrechterhalten lässt, bezieht Fallout 4 bereits in den ersten Sekunden des Spiels, im Intro, klar Stellung hinsichtlich des Einsatzes der Bomben. Es mutet schon etwas seltsam an, das das Spiel im zweiten Weltkrieg einsetzt. Nach dem berühmten Satz „Krieg bleibt immer gleich“ („War never changes“ im orig.) werden dem Spieler Filmaufnahmen des US Militärs aus dem Zweiten Weltkrieg präsentiert. Schnell kommen wir zu den Atombombenabwürfen welche vor dem Hintergrund einer patriotischen Familiengeschichte präsentiert wird. Die Frauen warten mitsamt dem Nachwuchs auf die Heimkehrenden Helden und Ehemänner.
Der Einleitende Satz wirkt aufgesetzt und wenig merkwürdig fehlt doch der sarkastische Unterton völlig. Berücksichtigt man die Tatsache, dass man nicht gerade behaupten kann, nach dem Einsatz der ersten Atombomben wäre alles beim Alten geblieben. (War. War never changes. In the year 1945, my great great grandfather, serving in the army, wondered when he get to go home to his wife, and the son he’d never seen. He got his wish, when the US ended World War 2, by dropping atomic bombs on Hiroshima and Nagasaki.)
(Ur-)Opa hat schon im Krieg gekämpft klar das der Enkel auch wieder rann muss und dies auch nicht hinterfragt. Ich spiele einen Militärangehörigen aus einer ebensolchen traditionsreichen Familie.
Das ist ein markanter Unterschied zu den Original Fallout-Teilen. Das alles gleich bleibt und man wieder rann muss könnte man wohlwollend als Ironie auslegen – wäre da nicht das klare Bekenntnis zum Amerikanischen Kriegseintritt welcher untrennbar verknüpft ist mit dem Beitrag den dieser zur Abwehr des Faschismus und zur Befreiung Europas geleistet hat. Dies kann also kaum als Ironie oder Sarkasmus der Designer gedeutet werden. Es ist schließlich eine historische Tatsache, dass sich hunderttausende geopfert haben um Westeuropa zu befreien. Der letzte gute Krieg auf den sich immer wieder berufen wird und welcher auch in unseren Tagen medial omnipräsent ist. Der letzte Krieg bei dem man sich als Amerikaner gut fühlen konnte – und Fallout stimmt ein in den Kanon. Dennoch, und obwohl es sich bei Fallout um ein Szenario des Atomaren Holocaust handelt wird hier eine Linie vom zweiten Weltkrieg hin zu zukünftigen Konflikten gezogen und so eine Tradition konstruiert welche die Geschichte verzerrt in dem Sie alle Kriegshandlungen in welche die USA seitdem verwickelt worden quasi als eine Reaktion, wie auch den Kampf gegen Japan und Deutschland, als Befreiungskriege darstellt. Und genau das meint der oft wiederholte Satz nun: „Krieg bleibt immer gleich.“ Im Sinne der Geschichte von Fallout ist es schon bemerkenswert auf welche Weise hier die Grundsätze in ihr Gegenteil umgekehrt und ideologisch aufgeladen werden – und keinen scheint’s zu stören. Die Amerikaner verteidigen ihre Werte und Befreien lediglich besetztes Gebiet. Stets sind es auch hier die anderen. Wie z.B. die chinesischen Fallschirmtruppen. Auch wird der Einsatz von Atomtechnik und der Gebrauch der Bomben so von der (ja grundsätzlich positiv konnotierten) Kriegshandlung an sich abgekoppelt.

Uropas frommer Wunsch ging in Erfüllung – oder waren es doch die Sowjets die Japan zur Kapitulation gezwungen haben durch den Einmarsch in die Mandschurei?
Die Spieler müssen ja nicht noch auf dumme Gedanken gebracht werden und ein kritisches Bewusstsein gegenüber aktuellen politischen Geschehnissen entwickeln. Die sollen bloß Spielen! Ähnlich dem was ich bereits in dem Arrangement der „Fallout Anthologie“ beobachten konnte wird auch hier ein sehr fragwürdiges Bild von Geschichte vermittelt, welches klar einer konservativen neoliberalen Weltanschauung entspricht. Die Atomtechnik war gut gemeint, Sie hat den zweiten Weltkrieg beendet und für Fortschritt und Wohlstand gesorgt.Wären da nur nicht diese Kriege in die man immer wieder verwickelt wird. Da kann man dann auch nichts daran ändern das das Arsenal zum Einsatz kommt. Der Waffenbesitz scheint hier ebenso nicht Teil des Problems zu sein. Positionen welche einem durchaus vertraut sein dürften, – man denke nur an die immer gleichen Debatten über die Regulierung von Schusswaffen in den USA. Im Intro wird ein Bogen gespannt, vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis hin zu aktuellen und zukünftigen Konflikten.
Die Montage ist so geschickt das man sich am Schluss nicht mehr Sicher ist ob es sich um einen Japanischen Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg handelt oder bereits um einen (zukünftigen) Chinesischen oder gar Nordkoreanischen Aggressor. Im Zusammenhang mit dem ausbrechenden „Total War“ bekommt man für das Jahr 2077 Bilder präsentiert die wie Relikte aus alten Sowjetparaden anmuten. Man sieht militärisches Gerät, klar gekennzeichnet mit einem roten Stern durch das amerikanische Vorstadtidyll rauschen. Eine alte Dame mit strenger Frisur beobachtet das Ganze. Auch die Bildkomposition ist bemerkenswert. Die Riesigen Raketen wirken riesige Phalli welche kurz davor sind die Dorfkirche mit ihrem Ejakulat niederzureißen. Schlimmer kann es kaum kommen. Man fühlt sich in finstere Zeiten des Antikommunismus zurückversetzt. Hier schlagen die Roten als erste zu. Mit diesen abgegriffenen Plattitüden kommt bei mir keine rechte Stimmung auf. Fallout 4 bereits nach dem Intro abgewürgt. Ich bin fast gewillt dieses Intro als Rückschritt in finstere Zeiten der Barbarei zu bezeichnen. Das erste Fallout machte keinen Unterschied zwischen den Atommächten. Im ersten Fallout heißt es gleich zu Beginn des Intros „Die USA haben Kanada annektiert, China überfällt Alaska”. Das Bethesda es tunlichst vermeidet die USA als Aggressor darzustellen wird auch im Tutorial deutlich, wenn in den Nachrichten nur von zerstörten Amerikanischen Städten die Rede ist. Anzunehmen, dass die Geisteshaltung der 1950er Jahre sich über mehrere Jahrzehnte gehalten hat war schon seit jeher das Hauptnarrativ der Fallout Reihe. Die Frage, „Was wäre, wenn es keine Emanzipation und Protestbewegungen gegeben hätte und der Ostblock nicht zusammengebrochen wäre?“. Eine kritische Retrospektive welche mir hier nicht mehr Präsent zu sein scheint. Vielleicht ändert das sich das ja noch im Verlauf der Spiel-Geschichte.
Am Ende des Intros zieht der Ur-Enkel dann erneut in den Krieg. Diesmal mit moderner Ausrüstung und unter Zuhilfenahme futuristischer, Fallout Typischer Kampfanzüge. Fatalismus, eine fatalistische Weltsicht vor dystopischem Hintergrund – aber die Konsequenzen die daraus gezogen werden sind eine höchstens zu erahnende Kritik. Vom Krieg sprechen und vom Militär und Soldaten schweigen. Die Perspektive eines Berufssoldaten welcher seine Kritik am Krieg mit den Worten einleitet ‘Der Krieg bleibt immer gleich“ entbehrt schon fast jeglicher Kritikmöglichkeit. Hat Urgroßvater denn nicht gewarnt? Gezwungen hat den Enkel sicherlich keiner, da die Wehrpflicht bereits nach dem Vietnamkrieg abgeschafft wurde. Die neutrale Perspektive eines Fallout 1 fehlt hier, was den Satz als solches eigentlich ad Absurdum führt. Die Aufmachung scheint nicht mehr als eine leere Phrase. Eine Kulthülle von einem Spiel quasi.
Die Perspektive von Fallout war schon immer sehr auf Amerika beschränkt, jedoch ohne mit Selbstironie zu sparen. bediente man sich einst nicht solcher konservativen Geschichtsbilder und hatte es auch nicht nötig, Militär und gesellschaftliches Klima quasi auszublenden. Kritisiert wird hier zunehmend die Technik oder Wissenschaft selbst. Es gab zwar Waffen und reichlich Gewalt in den ersten beiden Fallout Teilen, jedoch ohne einen Waffenfetisch zu betreiben wie es Fallout 4 tut. In Fallout 4 liegt der Fokus auf der Herstellung und Modifikation der unzähligen Waffensysteme und deren spezifischer Munition. Darauf werde ich in einem späteren Artikel (Arbeitstitel „Fallout 4 Archäologisch“) noch genauer eingehen. Im ersten Fallout waren es die überlebenden Militärs die zu einer Militärischen Sekte, der „Brotherhood of Steel“[1] wurden. Auch gibt es Überbleibsel von Polizei und privatem Militärsektor. Als Symphatieträger taugt das Militär im ersten Fallout jedoch wenig. Dafür gab es schließlich den Avatar, den Spieler selbst. Die Charakterzeichnungen stehen den typischen Antihelden der 80er Jahre näher, gleiches gilt für den Trash Charakter der Spielwelt im Allgemeinen. Auch wird der Held, der einfach mal eben schnell ein Ersatzteil für den heimischen Bunker besorgen soll, für diese Aufgabe immerhin demokratisch, von der Gemeinschaft bestimmt.
Der Hauptbösewicht in den neuen Fallout Teilen scheint wie schon erwähnt also in der Konsequenz aus Politik und dem daraus resultierenden gesellschaftlichen Klima zu sein, sondern die Schuld trägt eine Firma, Vault-Tec bzw. deren Boss. Vault-Tec betrügt die rechtschaffenden Bürger und macht sie unwissentlich zu Versuchskaninchen bei fragwürdigen wissenschaftlichen Experimenten, Bürger werden zu Marionetten eigener (Firmen-)Interessen. Und das nicht durch Waffen, sondern unter Einsatz der zivilen Atomkraft. Ein böser Scherge übernimmt die Verantwortung. Staat und Bürger trifft keine Schuld. Die Parallelen zu dem Filmklassiker Dr. Strangelove von Stanley Kubrick sind also gewollt, entbehren aber leidem jeglichem Verständnis für die Referenz.
Die Entwicklung des „Pip-Boy“ und des atombetriebenen Haushaltsroboters findet in dem nachempfundenen Labor von Dr. Strange statt. Die Nachbildung des Sets nimmt direkt Bezug (Anm.: Der Hinweis das es sich quasi um die Studiokulisse aus dem Film handelt ist einem der Kommentare aus dem oben verlinkten Introvideo zu entnehmen) .
Fallout 4 möchte diesen Querverweis gerne als Hommage ans Kubrick’s Werk verstanden wissen. Alles in allem bleibt jedoch ein eher fader Beigeschmack. Dieser Einleitungsfilm besitzt keinen Tiefgang und lässt keine Kritik oder Reflektion gesellschaftlicher Realitäten erkennen zu welcher eine Satire fähig sein sollte. Die Neuausrichtung der Serie in den letzten Jahren ist sicherlich kein Verbrechen, aber es zeigt am Beispiel von Fallout ganz gut, dass der Zahn der Zeit und die Kommerzialisierung (Milliardenumsätze der Branche) auch vor Klassikern der Spielgeschichte nicht halt machen. Aber vielleicht bekommt das Spiel selbst ja noch die Kurve, soweit bleibt diese Berichterstattung natürlich ergebnisoffen.
Im nächsten Teil der Artikelserie möchte ich das Intro von Fallout (1997) in ähnlicher Weise betrachten.
[1] http://de.fallout.wikia.com/wiki/Stählerne_Bruderschaft
Daniel Klages, Computerspielarchäologie.de