Die Elder Scrolls Reihe gehört zu den großen epischen Fantasy Open World Rollenspielen unserer Tage. Die Serie feiert im Jahre 2014 ihr 20-jähriges bestehen und nahm ihren Anfang 1994 mit dem Titel „The Elder Scrolls: Arena“. Ursprünglich als Action Rollenspiel konzipiert, entwickelte sich die Serie immer mehr hin zu einer komplexen (Welt-)Simulation mit offener Spielwelt, einer verzweigten Geschichte mit mehreren Zeitlinien, und ausgeprägter Selbstreferentialität. Behandelte der erste Teil noch die gängigen Fantasy Klischees so änderte sich die Ausrichtung ab dem zweiten Serienteil „The Elder Scrolls: Daggerfall“. Im Vordergrund stand nun die Spielerfahrung, welche mehr und mehr auf ein individuelles Erleben ausgerichtet wurde. Freiheiten welche die verschiedenen Spiel- und Handlungsweisen berücksichtigen, und im Sinne einer „personal Player Story“, ähnlich der klassischen Pen & Paper Rollenspiele individuelle Akzente setzen sollten, wurden implementiert.[1] Der 1997 erschienene Serienableger „The Elder Scrolls: Redguard“ trug diesem geänderten Fokus erstmals Rechnung. Die Geschichte der Welt und die ihrer Bewohner nahm langsam Gestalt an. Geschichtliche Ereignisse, Sagen und Mythen wurden zu einer glaubhaften Welt zusammengesetzt. Die Elder Scrolls „Lore“ nahm ihren Anfang. Dem Spiel lag erstmals ein umfangreiches Referenzwerk bei („The pocket guide to the empire“), welches die Kosmologie, Mythologie und die kulturellen Identitäten der verschiedenen Rassen beschrieb. Belege für die Geschichte lassen sich in der Spielwelt, welche über ihre ganz eigene (virtuelle) Materialität verfügt, auffinden. Die Geschichte der Menschen hat die Landschaft bereits geprägt diese ist gezeichnet von zahlreichen kulturellen Hinterlassenschaften verschiedenen Alters mit Ruinen und Friedhöfen. Der Detailreichtum der Welt reicht von profanen Alltagsgegenständen hin zu spezialisierten Waffen, Werkzeugen und Kleidung. Wissen über die Welt und ihre Geschichte kann mittels Schriftrollen, aus Büchern oder durch Gespräche mit einfachen Bewohnern und Würdenträgern erlangt werden. Dies erzeugt eine differenzierte und lebendige Spielwelt. Den Spielern ist es so möglich auf Spurensuche zu gehen und die Welt zu erforschen und zu verstehen. Wie weit man in diese Welten eindringen möchte, bleibt dem Spieler selbst überlassen. Folgt man nur der Haupthandlung, kann man das Spiel zwar abschließen, hat jedoch nur einen Bruchteil der Welt kennengelernt. Der interessierte Spieler wird also nur zum Teil an die Hand genommen und muss sich selbst darum bemühen die Spielwelt zu Enträtseln. In der Praxis bedeutet dies: Gespräche führen, schriftliche Quellen erforschen und auf Hinweise im Gelände achten die auf Verborgenes hindeuten könnten. Eine Abbildung der realen Welt durch Rückgriff auf historische Ereignisse und Epochen und die mögliche Freiheit des Spielers an der Welt teilzunehmen ohne im eigentlichen Sinne Spielfortschritt zu generieren, erlaubt ein gewisses archäologisch interpretatives vorgehen, betrachtet man nur die Objekte der Spielwelt. Nach „The Elder Scrolls: Redguard“ vergingen vier Jahre bevor der offizielle dritte Teil der Serie „The Elder Scrolls 3: Morrowind“ 2002 erschien. Auf diesen folgte 2006 „The Elder Scrolls: Oblivion“ und 2011 „The Elder Scrolls V: Skyrim“ welches bis jetzt der aktuellste (Einzelspieler-)Vertreter der Serie ist. Die Spiele verfügen über eine ausgefeilte Chronologie welche die Ereignisse der Vorgänger berücksichtigt. Obwohl teils mehrere Jahrhunderte zwischen den Geschehnissen liegen wurde darauf Wert gelegt, diese immer noch deuten und entdecken zu können. Zudem verändert sich die materielle Kultur, technische Modernisierung und Zerstörung durch Kriege. Veränderungen der Machtverhältnisse hinterlassen ihre Spuren und beeinflussen das Zusammenspiel der verschiedenen Kulturen und Herrschaftsbereiche. Das Ganze bewegt sich natürlich in einem fiktiven Rahmen, es handelt sich weniger um historische Fakten als um Geschichtsprojektionen die Teile unserer Gegenwartskultur sind.
„The Elder Scrolls V: Skyrim“
In vielen Computerspielen, besonders im Genre der Open World RPG’s, kann sich der Spieler die Spielwelt zu einem gewissen Teil anhand der in ihr platzierten Objekte, Artefakte und Monumente erklären. Die Spielwelt ist riesig, sie umfasst ein Areal von mehr als 40 Quadratkilometern.Beginnend als unwissender Charakter mit einfachster Ausrüstung und marginalen Fähigkeiten zeichnet sich so eine Lernkurve ab, vom einfachen hin zum komplexen, spezialisierten, Spielcharakter. Im Laufe eines Spiels gelangt der Spieler so in den Besitz von zahlreichen Objekten welche mitgeführt und ausgelagert werden können. Neben Objekten wie Waffen, Kleidung, Ausrüstungsgegenständen, Nahrung und anderen Hilfsmitteln sind auch schriftliche Artefakte zu bergen welche die Welt beschreiben, erklären und ihre eigene Geschichte haben und sinnvoll in die Spielwelt integriert sind. Es entfaltet sich so vor dem Spieler ein Archiv des Wissens zu verschiedensten Aspekten der Spielwelt. Der Spieler kann eigene Gegenstände herstellen vorausgesetzt er war in der Lage sich diese Informationen aus Büchern oder durch Gespräche, in manchen fällen auch durch sinnvolles kombinieren der Objekte zu beschaffen. Alle weiteren Gegenstände sind mehr oder weniger Teil eines Belohnungssystems, welches den Spieler motivieren soll die Welt zu erforschen und das Ende der narrativen Spielhandlung zu erreichen. Spieler werden auch vertraut gemacht mit einfachen Inventarsystemen, es müssen Gegenstände sinnvoll abgelegt und quasi katalogisiert werden.[2]
„The fundamental aims of RPGs and archaeology alike are to solve mysteries by following material, ideological or logical trails. These quests result in the unfolding of narratives – narratives about contemporary or historical events that in some way relate to the world in which the players find themselves.“ (Johnson 2013, S. 37)
Die Informationen welche der Spieler durch Interaktion mit der Spielwelt, durch Gespräche (mit sog. NPC’S, non player characters) und das Auffinden von Texten erhält, gibt Hinweise auf Geheimnisse und Mythen welche erforscht werden können. Der Spieler eines Single Player RPG’s trifft auf eine in sich geschlossene Welt welche er durch einen Prozess des Lernens und Entdeckens, mitgestalten und verändern kann. Interessant ist die Bereitschaft der Spieler dies zu tun und die Spielmechanik welche ihm ermöglicht dabei Freude zu empfinden. Spiele wie „The Elder Scrolls V: Skyrim“, oder andere Fantasy RPG’s kann man als erfolgreichen Versuch ansehen eine fiktive Vergangenheit glaubwürdig zu Gestalten mithilfe von exakten virtuellen Rekonstruktionen aus der realen Vergangenheit. Die Rekonstruktionen in „The Elder Scrolls V: Skyrim“ zeigt sich als Welt, welche durchzogen ist von modernen Elementen und Stilen verschiedener, niemals zeitgleich existierender Epochen. Diese werden neu zusammengesetzt und das Ganze präsentiert sich als ein buntes Potpourri, – von allem was beliebt ist ein bisschen. Eskapismus, wie auch in der Befragung von „The Elder Scrolls V: Skyrim“ Spielern in der Arbeit von Emily Johnson nachzulesen ist[3], ist einer der Gründe warum Menschen sich teils bis zu 700 Stunden in den mittelalterlich geprägten Spielwelten von Skyrim aufhalten. Videospiele leben vom Visuellen. Moderne Spiele haben einen enormen Detailgrad und können beinahe alle Elemente der echten Welt glaubwürdig darstellen. Das Archäologische in diesen Spielen ist in dem Arrangement der Landschaften, der Architektur, der materiellen Kultur und der Tier- und Pflanzenwelt zu finden. Teilweise erinnern diese Landschaften an die romantisierenden Illustrationen einer Vorzeit wie sie in archäologischen Publikationen oder populärwissenschaftlichen Quellen zu finden ist. Auf grüner Wiese grasen die Mammute und im Hintergrund kräuselt sich der Rauch von den Lagerfeuern eines kleinen Jägerlagers. Die Landschaften sind natürlich und nicht verschmutzt, Ruinen deuten darauf hin, dass dies schon lange der Fall ist. Die Welt verharrt höchstens auf einem spätmittelalterlichen Niveau. Ein Ersatz für die Kontrolle der Welt durch Technik ist die Magie welche in diesen Welten praktiziert werden kann.
Das Irrationale Moment archaischer Weltbeherrschung durch magische Rituale und Zauberformeln gehört fast immer zum Kanon solcher Spiele. Die materielle Kultur beschränkt sich auf alles was handgemacht ist und überwiegend einer feudalen und bäuerlichen Lebensweise geschuldet ist. Nur der Held des Spiels, der Avatar des Spielers, scheint direkt aus der Moderne in die Spielwelt gefallen zu sein. Hier gelten Beschränkungen der persönlichen Freiheit nicht. Er ist nicht den Gesetzen der Welt unterworfen welche er bereist und erforscht. Auch die Ökologie weist all dies auf was den modernen Gesellschaften abhanden gekommen zu sein scheint. Es existiert zeitgleich was nie zusammengelebt hat. Egal ob Ideologie oder Umwelt es handelt sich wie schon gesagt, um ein buntes Potpourri aus verschiedensten Epochen und Erdzeitaltern. Man kann das Setting am ehesten mit dem der äußerst populären amerikanischen Fernsehserie „Game of Thrones“[4] vergleichen. Auch hier existieren Kulturen ähnlich des skandinavischen Mittelalters gemeinsam mit antik anmutenden Zivilisationen zusammen mit asiatischen Steppenvölkern aus der Völkerwanderungszeit. All dies schlägt sich in Kleidung und Architektur nieder. Nur die Art und Weise Konflikte zu behandeln und der Umgang der Menschen untereinander passen nicht recht in dieses Konstrukt. Kommunikation, d.h. Sprache und Diplomatie und politische Ansichten stammen aus unserer Zeit. Es ist eine neu verhandelte Vergangenheit welche gar nicht versucht ihre Verbindung mit der Gegenwart zu leugnen. Neben dem Eskapismus als einem Motiv für das Spielen solcher Spiele steht auf der anderen Seite der Wunsch nach absoluter Kontrolle und Einzigartigkeit. Das Handeln als Protagonist dieser Welten täuscht für einen kurzen Moment darüber hinweg das Kontrolle und Selbstoptimierung, die Prämissen einer postmodernen auf kybernetischen Grundlagen beruhenden Gesellschaft Freiheit und Individualität konterkariert.
Neben dem explorativen, die Bergung von Artefakten betreffenden Aspekten der Archäologie welche in quasi allen Rollenspielen vorhanden sind, treffen wir in Spielen wie „The Elder Scrolls V: Skyrim“ auch auf einen reichhaltigen Fundus an schriftlichen und mündlichen Überlieferungen. Diese helfen mehr über die Welt zu erfahren und ermöglichen es dem Spieler Schlüsse zu ziehen, über die Hintergründe dieser Spielwelt. Diese Elemente sind nicht zwingend erforderlich um das Spiel zu lösen, werden aber von den meisten Spielern gerne genutzt und sind seitens der Entwickler mit viel Liebe zum Detail in dieser Welt platziert. Es ist möglich ein Spiel wie „The Elder Scrolls V: Skyrim” in Ca. 40 Stunden abzuschließen, folgt man nur der Haupthandlung. Es gibt jedoch auch Spieler die jedes Geheimnis dieser Welt lüften, und alle Möglichkeiten der Charakterentwicklung nutzen möchten. So ist es ohne weiteres möglich mehrere hundert Stunden in dieser Welt zu verbringen. Sie werden zu Experten dieser Welt und erschließen sich die Geschichte des Spiels auf ähnliche Art und Weise wie dies auch Historiker anhand realer Ereignisse tun. In zahlreichen Foren diskutieren Sie die Ergebnisse ihrer Nachforschungen und erklären ihren Spielfortschritt. In den offiziellen Foren gibt es Mitarbeiter die helfen die Fragen der Spieler zu beantworten, und weitere Hintergrundinformationen bereitstellen.[5] Das Spiel kann Zufluchtsort sein und muss zur Beschäftigung anregen. Seitens der Entwickler muss, damit dies auch funktioniert, und Fesseln kann darauf geachtet werden, dass die Spielwelt konsistent d.h. in sich stimmig ist.
[1]„Ich wollte ein großer, epischer Abenteurer mit einer üppigen Auswahl an Charakteren, mit Motiven irgendwo zwischen gut und böse. Jeder sollte das Spiel auf seine eigene Art und Weise angehen können…“ Ted Peterson, Lead Designer „The Elder Scrolls: Daggerfall“, in Retro Gamer, 2014, S.17.
[2] Wobei die Spiele die größte Arbeit selbst erledigen. Es handelt sich mehr um ein zurechtfinden müssen im eigenen Chaos welches die Sammelwut hervorrufen kann.
[3] Vgl. Johnson 2013, S. 51ff.
[4] Home Box Office, Ausstrahlung ab 2011.
[5] Bei Bethesda übernehmen diese Funktion die ‘Lore Master“.