Ich werde versuchen das mögliche Verhältnis zwischen Archäologie und der Welten der Computerspiele zu beschreiben und einige charakteristische Merkmale benennen. Nachdem über die Beziehungen zwischen Archäologie, klassischen Massenmedien und der Öffentlichkeit bereits viel geforscht und publiziert wurde, soll es hier mein Anliegen sein herauszufinden, ob eine Beschäftigung mit Computerspielen darüber hinaus ergiebig sein könnte. (vgl. Ickerodt 2005; Kircher 2012; Holtorf 2007b und 2012)[powr-image-slider label=“Enter a Label“]
Ich möchte prüfen welche Bereiche der Archäologie das Fundament meiner Beschäftigung mit Computerspielen bilden könnten. Für die theoretischen sowie praktischen Aspekte einer „Computerspielarchäologie“ gilt es den passenden archäologischen Kontext herzustellen. Auf Grundlage aktueller Publikationen und Diskussionen möchte ich zeigen, dass eine Beschäftigung mit dem Thema auf mehreren Ebenen praktikabel und sinnvoll ist.
Die Relevanz einer Computerspielarchäologie soll damit unter Beweis gestellt werden, theoretisch, inhaltlich und hinsichtlich der Spiele-Praxis, sowie als ein möglicher archäologischer Arbeitsbereich.Gleiches gilt natürlich für die Computerspiele. Brauchen Computerspiele(r) Archäologen? Welche Art von Spielen lohnt es zu untersuchen, und gibt es Vorarbeit, die schon geleistet wurde? Gibt es archäologische Spiele und kann man archäologisch Spielen?
Im Vorfeld war es mir wichtig einen Überblick zu gewinnen und die verschiedenen Bereiche zu strukturieren.Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit den Spielen an sich. Die Vorstellung ausgewählter Spiele umfasst Aspekte der Narration und der Spielmechanik. Diese Spiele sollen als Beispiel dienen, um zu zeigen Möglichkeiten Spiele Werkzeuge zur Rekonstruktion von Vergangenheit bieten und wie die in einigen ausgewählten populären Vertretern realisiert und arrangiert ist.
Neben der grundlegenden Spielmechanik umfasst dies andere mögliche Spielhandlungen, das betrifft auch Handlungen die außerhalb des Spiels stattfinden aber klar auf dieses verweisen oder es erweitern. Vorgestellt werden „Civilization 5“ und „The Elder Scrolls V: Skyrim“, dabei gehe ich auch auf die Art dieser Spiele und deren Geschichte ein. Auf Grund der Popularität und dem vom Spiel hergestellten Bezug zur Archäologie möchte ich „World of Warcraft“ nicht außen vor lassen, und mit „Mass Effect“ einen populären Vertreter aus dem Bereich der Science-Fiction Rollenspiele vorstellen.
Der Dritte Teil dieser Arbeit wendet sich einer möglichen archäologischen Praxis zu. Neben einer Nutzung des kreativen Potentials von Computerspiel-Umgebungen durch Archäologen ist auch zu überlegen, welche Konsequenzen damit verbunden sind, wenn man bereits existierende Spiele als unser digitales Kulturerbe betrachtet. Das gilt für ihre digitale Form, aber auch hinsichtlich ihrer Materialisation als Objekt in Form des Datenträgers. Spiele sind Waren und das Produkt einer Unterhaltungsindustrie, aber ebenso Teil eines kreativen Prozesses. In beiden Fällen handelt es sich um Zeitdokumente, die von archäologischem Interesse sein könnten. Hier geht es um die Frage welche neuen Arbeits- und Forschungsbereiche denkbar wären. Ein weiter Teil umfasst die Vorstellung archäologischer Spielumgebungen im Sinne virtueller Lehr- und Lernumgebungen. Ein Beispiel welches viele mir relevant scheinende Kriterien erfüllt ist das Projekt „Hullcraft“ welches ich näher vorstellen, und in einen archäologischen Kontext, praktisch wie theoretisch, überführen möchte.
Der Forschungsbereich ‘Game Studies” wird im gleichnamigen Kapitel vorgestellt und einen Überblick zur Forschungsgeschichte bereitstellen, welcher auch Autoren aus einem archäologischem Umfeld berücksichtigt.Das Verhältnis von Archäologie, Medien und Öffentlichkeit wird im folgenden Kapitel thematisiert. Dies geschieht auf theoretischer Grundlage und unter Berücksichtigung aktueller Publikationen und Diskussionen die innerhalb der Archäologie geführt werden.
Im nächsten Abschnitt werden die oben erwähnten Computerspiele vorgestellt und ihr Potential als Gegenstand archäologischen Interesses Überprüft werden. Das geschieht unter Berücksichtigung der narrativen und spielmechanischen Aspekte, als auch hinsichtlich ihres pädagogischen Potentials, und ihren sozialen und kreativen Möglichkeiten, wie z.B. Austausch- und Mitgestaltungsmöglichkeiten durch die Gemeinschaft der Spieler.Ein darauffolgender Praxisteil soll die Möglichkeiten archäologischer Nutzung des Mediums Computerspiel aufzeigen, mit entsprechenden Beispielen belegen und zeigen wie alle vorher beschriebenen Aspekte zusammenzuführen sind.
Viele Spiele versuchen inhaltlich einen Bezug zur Archäologie und Geschichte herzustellen. Besonders interessant sind Titel in denen man auf Archäologen trifft oder selbst in die Rolle eines solchen schlüpft. Fragestellungen das Bild von Archäologie und Archäologen betreffend, als auch hinsichtlich der spielmechanischen Implementierung archäologischer Arbeitsweisen, sind denkbar. Die Repräsentation[1] von Archäologie in Spielen ist ein Bereich dem sich die Archäologie widmen könnte.Ob es Spiele gibt die es erlauben archäologisch gespielt zu werden oder dies gar voraussetzen ist ein weiterer Aspekt der relevant sein könnte (vgl. Johnson 2013b). Spiele den direkten Bezug nehmen auf die Archäologie oder die Archäologie als Beruf anbieten wie „World of Warcraft“ scheinen dafür prädestiniert, was es hiermit zu überprüfen gilt.
Andere Berufszweige finden zwar auch ihr Pendant in der Computerspielwelt aber diese haben keinen allgemeingültigen Charakter und lassen sich nicht auf andere Genres anwenden. Was z.B. beim Spielen eines Landwirtschaftssimulators erlernt werden kann hat einzig den Effekt, in diesem Spiel Fortschritt zu erzielen, und den Beruf des Landwirts vereinfacht darzustellen. Spuren in Spielwelten zu erkennen und zu deuten, Objekte zuzuordnen und zu Archivieren sind nur einige Aspekte welche jedoch Spiele mit einer offenen und freien Spielumgebung voraussetzen.
Die nächste Fragestellung betrifft das Spielen an sich und die damit verbundenen Tätigkeiten. Spiele erzeugen Neugier und möchten erforscht werden. Es gilt, das Wesen des Spiels zu ergründen, den symbolhaften Interfacedarstellungen und abstrakten Umgebungen Sinn zu geben. Es handelt sich um das Entschlüsseln einer reduzierten, abstrakten und fiktiven Projektion unserer Welt. Es sind Ausschnitte, transformiert in spielmechanische Algorithmen.
Nach dem Verständnis der Postprozessualen Archäologie (Bernbeck 1997, S. 281) ist das Verstehen im archäologischen Sinne abhängig von der Aufschlüsselung und Bedeutung von Symbolen. Symbole können Zeichen, Bilder, Installationen, Geräte und andere materielle Reste mit deutlich funktionalem Aspekt sein. Die Art und Weise wie man sich die virtuelle Welt eines Spiels erschließt gleicht dieser Beschreibung. Spiele sind Abbilder der Realität. Es handelt sich um ein Probieren, Interpretieren und Verstehen. Gerade was die frühen abstrakten Spiele angeht, erfordert die Bedienung des Spiels eine Deutung des Interfaces, welches durch abstrakte Symbole dargestellt wird, mittels derer Einfluss genommen werden kann auf den Spiel-Algorithmus. Nicht mit dem Ziel, Wissenschaft zu betreiben, aber immerhin mit dem Ziel menschliche Botschaften aus einer nahen Gegenwart zu entschlüsseln. Spiele sind Handlungsräume und als solche auch von archäologischem Interesse, wenn auf historische Begebenheiten Bezug genommen wird. Multivokalität (Habu/Fawcett/ Matsunga 2008, S. 2-5) und Agency Theorien (Robb 2010, S.493-520) sind Teil der postprozessualen Archäologie. Multivokale Ansätze setzen sich für die Legitimation individueller Interpretationen ein, wohingegen die Agency Theorie sich allgemein mit archäologischen Handlungsspielräumen auseinandersetzt. Computerspiele mit historischem Ansatz können eine vielfältige Interpretation, im Sinne einer Multivokalität ermöglichen (eine davon ist die durch die Game Designer implementierte Interpretation), und sind bezogen auf die Agency Theorien als individueller Handlungsspielraum (der Weg des Spielers) zu begreifen.
Spielen heißt auch Spuren zu deuten, die Rekonstruktion der Botschaft der Entwickler. Spielen heißt handeln, eine Interaktion mit der Welt, ihren Spielräumen und Objekten. Es geht um das entfalten einer Geschichte, die der Entwickler und die Eigene, die des Spielers. Der Weg den man während des Spielens zurück- und freilegt gleicht dem einer Wegfindung in die fiktive Vergangenheit. Die Geschichte des Spiels wird so auf zwei Ebenen erzählt. Die Geschichte des Spielers („Personal Player Story“) und die Geschichte des Designers (Designer Story). Erstere ist individuell und unvorhersehbar, die andere ist statisch und festgelegt.
Interessant sind auch die Werkzeuge und Mechanismen, welche es dem Spieler ermöglichen virtuelle Welten zu erfahren. Es sind Spiele wie „The Elder Scrolls V: Skyrim“, welche über eine komplexe virtuelle Materialität verfügen. In diesen Spielen besteht das Erforschen der Spielwelt zum Teil aus dem Bergen von Artefakten oder dem Erkennen anderer kultureller Hinterlassenschaften in der Landschaft. Spiele wie „The Elder Scrolls V: Skyrim“ simulieren Welten mit eigener, fiktiver Geschichte. Die Simulation ist hierbei so umfassend, dass Spieler das Spiel auf ganz eigene Weise erfahren können, ohne sich an Spielfortschritt oder vorgegebene Handlungsweisen halten zu müssen. Um realistisch und glaubwürdig zu sein, ist die Spielwelt voll mit Objekten jeder erdenklichen Art die der Spieler aufnehmen und weiterverarbeiten kann ohne das dies von ihm verlangt wird. Vom Nagel bis zum Lederbeutel über Felle Werkzeuge und Kleidung gibt es mehrere Tausend Artefakte und Objekte die in der Welt platziert sind und die vom Spieler archiviert und manipuliert werden können. Spieler werden vertraut mit der Welt durch Interaktion mit der Materialität der Spielwelt. Der Spieler kann sich eine eigene Behausung bauen und diese mir den gesammelten Gegenständen und Büchern anfüllen. Es gibt zahlreiche Internetseiten und Wikis welche Zeugnis von der Arbeit begeisterter Spieler ablegen, die sich mit dien Objekten auseinandergesetzt und diese erfasst und dokumentiert haben. Ähnlich wie die Archäologie Archive des Wissens anlegt und die Materialität unserer Welt Dokumentiert, verhalten sich hier die Spieler von „The Elder Scrolls V: Skyrim“. Spiele die dergleichen ermöglichen, erlauben es archäologisch gespielt zu werden.
Auch gehören Texte sowie Gespräche mit Einwohnern zu den möglichen Quellen. Unter Bezugnahme auf Knut Ebeling (2004, S. 21) sind auch Computerspiele Wissensspeicher. Es handelt sich um Archive welche Informationen beinhalten die durch das Spielen geborgen werden. Der Spieler sammelt Objekte, verwahrt diese und erinnert sich an den Spielverlauf. Die fiktive Vergangenheit wird durch die mediale Aufbereitung erfahrbar. Computerspiele reihen sich als Träger und Erzeuger historischen Wissens in den Kanon der bisherigen Medien ein, die bereits archäologisches Wissen bereitstellen. Archäologische Archive beinhalten ein mediales Wissen welches aus Zeichnungen, Abgüssen, Rekonstruktionen, Fotos und Filmaufnahmen besteht (Vgl. Ebeling 2004, S. 22).
„Weil die Archäologie die Vergangenheit im Moment ihres Auffindens zerstört, konstruiert sie diese als mediale Repräsentation neu“ (Ebeling 2004, S.23)
Computerspiele sind auch ein Teil dieser medialen Rekonstruktion. Ein Game Designer welcher dem Spieler einen spezifischen Aspekt von Geschichte authentisch vermitteln möchte zieht quasi am selben Strang wie der Archäologe der versucht die Vergangenheit mit den aktuellen technischen Möglichkeiten medial zu verarbeiten und zu Rekonstruieren.
Spiele sind auch Zeugen unserer heutigen digitalen Kultur. Das Wissen über die Vergangenheit befindet sich zunehmend abgelegt in Form digitaler Medien.
Eine Computerspielarchäologie kann dies erfassen und erlaubt neben dem Erhalt der Geschichte auch eine Dokumentation der Spielwelt, ihrer Landschaft und Architektur. Knut Ebeling bezeichnet die Archäologie als eine (Kultur-)Technik des Entbergens[2].
„Die Archäologie ist eine Technik zur Entbergung von etwas was sonst verborgen bliebe, eine zentrale Kulturtechnik zu Entbergung von Verborgenheiten, die sich in der Erde ebenso befinden können wie in der Seele, im Körper oder in den Medien“
(Ebeling 2004, S.20)
Das Bergen von Artefakten einer digitalen Welt bleibt nicht auf Spiele beschränkt auch wenn diese in mancherlei Hinsicht die Grundlage sind. Betrachtet man Open World Baukasten Spiele wie „”Minecraft”“ und die daraus resultierenden Projekte wie „Hullcraft“ (dazu mehr im letzten Abschnitt) wird klar das die mediale Zukunft archäologischer Wissensvermittlung innerhalb virtueller Umgebungen stattfinden wird. Der Zugriff auf dieses Wissen erfolgt mittels Interface und durch Handlung des Protagonisten. Ob es sich dabei um einen Spieler handelt sei dahingestellt – die Nähe zu Computerspielen ist jedoch nicht zu leugnen. Auch eignen sich Computerspiele oder virtuelle Umgebungen um mit den Daten, die mittels digitaler Techniken auch zunehmend von der Archäologie gesammelt und genutzt werden, als Ablage und Simulationsraum. Computerspielarchäologie umfasst die Etablierung dieses Mediums als archäologischer Wissensspeicher und Archiv der Zukunft. Das bedeutet natürlich auch Ergebnisse zu erfassen und Abläufe zu dokumentieren welche im Rahmen von Forschungen innerhalb der virtuellen und interaktiven archäologischen Archive der Zukunft erzielt werden können. Aus diesem Grund müssen Verfahren entwickelt werden die bisher nur an den existierenden Computerspielen erprobt werden können. Aktuelle Computerspiele sind das Resultat einer langen Entwicklung. Sie repräsentieren Erfahrungswerte was Interfacedesign und Steuerbarkeit betrifft, der schnellen Erlernbarkeit ihrer Regeln, und hinsichtlich der Motivation welche Sie bei Spielern über einen möglichst langen Zeitraum aufrechterhalten können.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt z.B.Andrew Reinhard:
„What we do now in creating archaeological methods for documenting virtual worlds will inform future archaeologists (next month, next year, next century perhaps) on how to operate within a set framework while adding to it.“
(Reinhard, 2015a)
Auch kann man Spiele als digitale Artefakte, als Hinterlassenschaften einer Alltagskultur, betrachten. Das gilt auch für Spiele in ihrer materiellen Form, als materielle Hinterlassenschaften und Zeugnisse einer Industrie und Wirtschaftsgeschichte, deren Artefakte (Caraher 2015) es zu bergen und zu erhalten gilt. sind. Auch das kann Aufgabe einer Computerspielarchäologie sein. Auf Grund der Software Ausrichtung meiner Arbeit möchte ich Thema zusammenfassend, und nicht im Detail darstellen. Die Ausgrabung auf dem ehemaligen Entsorgungsgelände von Atari (Caraher 2014) ist der erste Schritt in diese Richtung. Sie stellt einen ersten Beitrag dar zur noch jungen Geschichte einer Industrie und ihrer Produkte. In diesem Fall u.a. das Dokumentieren des Scheiterns des wichtigsten der nordamerikanischen Spielehersteller, die Erforschung eines urbanen Mythos und der anschließende Umgang mit den geborgenen Datenträgern. Darüber hinaus erlaubt dies einen Vergleich mit gängigen archäologischen Verfahren. Das beschränkt sich nicht nur auf Computerspiele, auch frühe Computerhardware Z.B. von Apple[3] könnte so der Nachwelt in größerer Stückzahl erhalten bleiben.
[1] Vgl. Reinhard (08.11.2014).
[2] Ich möchte hier den Begriff des Entbergens in gleichen Sinne verwenden wie Knut Ebeling, und für meine Arbeit im Computerspielkontext verwenden (vgl. Ebeling 2004, S.22-24).
[3] Vgl. Stern 2010: September 25: Lisas Head to the Landfill , http://www.applematters.com/article/september-25-lisas-head-to-the-landfill/ ,11.01.2015.