Kritische Stimmen und Perspektiven einer Medienarchäologie

Die wie folgend dargestellten kritischen Positionen gehen zurück auf das Jahr 2007. Sie veranschaulichen gut, wie sehr sich der Umgang mit den Medien und der Öffentlichkeit gewandelt hat. Metin Yeşilyurt z.B. (2007) warnt vor einer Archäologie, die sich zu sehr den Interessen der Medien unterordnet. Trotzdem ist dies Grund genug, sich diesen Artikel noch einmal genauer vorzunehmen. Kritisiert wird an den Medien, dass es sich in erster Linie um Unterhaltungsformate handelt und es deshalb nicht Anliegen dieser ist darzustellen wie es in der Vergangenheit tatsächlich zugegangen ist. Zusätzlich, so Yesilyurt, hat das Bedienen profitorientierter  Medienformate durch die Wissenschaft grundsätzlich negative Auswirkungen auf die Wissenschaft. Vor allem wenn diese allzu bereitwillig deren Lieferant ist.[1] Sie kritisiert u.a. Positionen Holtorfs, welcher der Archäologie ebenso wie den Medien ein gesteigertes Interesse an Sensationsfunden und der damit einhergehenden Reduktion wissenschaftlicher Arbeit attestiert (vgl. Yeşilyurt 2008, S.2).Holtorf vertritt die Ansicht, dass der Nutzen einer modernen Archäologie gerade darin besteht ihren Beitrag zu den Unterhaltungswelten einer Erlebnisgesellschaft zu leisten.

Yeşilyurt fügt hinzu, dass dies nur die Folgen einer mangelhaften Reflexion seitens so agierender Archäologen sein kann, und spricht diesen den Status als seriöse Wissenschaftler ab (ebd. 2007, S.6). Des Weiteren werden mögliche Formen der  Zusammenarbeit mit den Printmedien geschildert. Das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit sei im Falle der Printmedien der Wissenschaftsjournalismus. Auf Grund gesellschaftlichen Interesses müssten die Ergebnisse wissenschaftlicher (archäologischer) Forschung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und gegenüber Laien verständlich kommuniziert werden. Dies setze Voraus, dass der Wissenschaftsjournalist als Mediator Kenntnisse aus beiden Arbeitsbereichen vorweisen kann (vgl. Yeşilyurt 2007). Scharf kritisiert wird eine Haltung bestimmter journalistischer Kreise, welche der Archäologie unterstellen, angewiesen zu sein auf den Umgang mit den Medien (hier der Presse). Es sei nicht Aufgabe und somit von Interesse für die Archäologie das Erlangen von Medienkompetenzen (Medientraining) zum Gegenstand der Ausbildung zu machen. Begrüßt wird das Internet, auch aus dem Grund da so die Vorherrschaft des Journalismus eingedämmt wird (vgl. Yeşilyurt  2007). Natürlich bedeutet das auch die verschiedenen Kommunikationsformen, zu denen auch Computerspiele gehören, zu akzeptieren und sich, auch kritisch, zu engagieren. Ein weiterer Effekt ist der damit verbundene Abbau von Hierarchien und einer Abkehr von autoritärer Wissensvermittlung. Ein pseudo Wissenschaftsjournalismus, wie es Yeşilyurt nennt, existiert zwar weiterhin, auch im Internet, aber ein Engagement kann auch hier Positives bewirken. Das zeigt u.a. der Artikel von Diane Scherzler (2010). Für Yeşilyurt  widerspricht es der wissenschaftlichen Ethik,  an der Bedürfnisbefriedigung einer Traum- und Erlebnisgesellschaft mitzuwirken. Denn ein Engagement unter diesen Prämissen würde bedeuten, ähnlich der Wirtschaft, die Öffentlichkeit als Marktplatz zu betrachten. Daraus resultiert die Angst, die Interessen des Kapitals könnten so der Archäologie vorschreiben welches Wissen produziert werden soll (vgl. Yeşilyurt  2007).

Sie verweist auf ähnliche Vorgänge zu Zeit des Nationalsozialismus (ebd.).  Dieses Beispiel verdeutlicht meiner Meinung nach eher die a priori Ausrichtung von Forschungsergebnissen und ein Anbiedern an die Ideologie der Nationalsozialisten mit der Absicht die Forschung und damit verbunden das eigene Auskommen zu finanzieren. Das Interesse der Öffentlichkeit wird ebenso wie die Archäologie die sich in solch eine Abhängigkeit begibt lediglich karikiert. Die Beteiligung an Traum- und Erlebniswelten ist nicht grundsätzlich ideologisch motiviert, auch wenn niemals ganz frei davon.

Die Verquickung von Archäologie und Wirtschaft ist der Archäologie durch Schliemann quasi in die Wiege gelegt. Durch sein unternehmerisches Talent konnte er auf ein finanzielles Polster zurückgreifen um seine Forschungen zu finanzieren. Da sich die Produktionsmittel durch das Informationszeitalter und die damit einher gehende digitale Revolution demokratisiert haben kann die Kreativität voll entfaltet, und Ideen umgesetzt werden.Die Beteiligung von Archäologen z.B. an der Produktion eines Computerspiels, z.B. im universitären Rahmen, würde bedeuten ein Produkt der Phantasie zu entwerfen ohne vom wirtschaftlichen Mainstream abhängig zu sein. Auch eine Realisierung für kleine Zielgruppen ist mittels einer Finanzierung durch Crowdfunding möglich. Hier kann selbst für eine interessierte Öffentlichkeit produziert werden, was in keinster Weise dazu führt das diese Erzeugnisse auch nur dieser kleinen Gruppe zugänglich sind. Auch andere wissenschaftliche und Archäologische Projekte[2] konnten dadurch bereits umgesetzt werden.[3] Ein Engagement auf diesem Wege würde sämtliche Vorwürfe entkräften und beide Seiten zufriedenstellen.

Es  zeigt sich, dass sich das Bild seit Erscheinen des Artikels 2007 stark gewandelt hat. Der Print-Journalismus hat seine dominante Stellung längst eingebüßt. Durch Nutzung des Internets ergibt sich ein wesentlich vielschichtigeres, diversifiziertes Beziehungsgeflecht zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Konsumenten und Adressaten eines Wissenschaftsjournalismus werden selbst zu Akteuren und publizieren ihre Gedanken. Interessierte Laien haben Teils direkten Zugang zu den wissenschaftlichen Publikationen. Archäologen veröffentlichen selbst und stellen ihr Wissen einem interessierten Publikum zur Verfügung. Ebenso findet ein reger Austausch zwischen Interessierten statt. Die Gesellschaft befriedigt  ihr Bedürfnis nach Archäologie inzwischen selbst, zum Beispiel innerhalb sozialer Netzwerke, durch Nachrichtendienste wie Twitter, mittels Blogs und auch durch das Spielen und Entwerfen von Computerspielen.

Es handelt sich um eine Archäologie welche von jedem praktiziert werden kann., eine Popularisierung im Sinne von Teilhabe mittels Strukturen, welche sich außerhalb klassischer Bildungsinstitutionen zu etablieren beginnen. Isto Huvila (2013) hat verschiedene Bereiche des Web 2.0 untersucht, genauer wie Archäologie und archäologische Informationen weitergegeben werden und repräsentiert sind. Das wichtigste ist: Die Basis all dieser Beschäftigung mit den Möglichkeiten des Digitalzeitalters sollten stets seriöse, wissenschaftlichen Standards entsprechende Arbeiten sein. Es liegt an den Archäologen diese zu verbreiten.

Die Demokratisierung trägt auch in anderen Bereichen Früchte. Ein schönes Beispiel ist die „Punk Archaeology“ von William Caraher, Kostis Kourelis und Andrew Reinhard.

Hier werden Methoden und Herangehensweisen erprobt die bisher keinen Einzug gefunden haben oder im Sinne des herkömmlichen Wissenschaftsbetriebes bisher vernachlässigt wurden. Inspiriert ist das Ganze von der Punk Kultur und der  damit verbundenen do-it-yourself Philosophie. Eine Bemächtigung der Medien und deren Ausdrucksformen ist die eine Seite, die Realisierung einer breiten gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeit an dem Aneignungsprozess von archäologischem Wissen die andere. Das „Punk Archaeology“ Manifest (Caraher, Kourelis, Reinhard 2014) ist eine lose und experimentelle Sammlung von Ideen verschiedener Autoren. Das Spektrum umfasst Musikgeschichte, Gegenwartskultur, Wissenschaftsdidaktik und Philosophie. Ursprünglich sollte es um eine Beschäftigung mit den historischen Stätten der Punk Musik gehen. Es ging um die Frage wie diese (wieder-)entdeckt und bewahrt werden können, und dass dies Aufgabe der Archäologie ist. Letztlich handelt es sich um Ansätze welche eine archäologische Betätigung in den Bereichen anregt, die bisher vom wissenschaftlichen Mainstream unbeachtet geblieben sind, aber durchaus zu den Aufgaben einer Archäologie gehören können, ohne das man hierbei das Fach karikieren oder unwissenschaftlichen Arbeitsweisen Vorschub gewähren möchte. Folgt man der Argumentation, so ist auch die Computerspielarchäologie, bis zu ihrer möglichen Etablierung, in diesem experimentellen Umfeld gut aufgehoben.


[1] „Wobei wir von der Darstellung in Spielfilmen, Romanen, Computerspielen etc. absehen können, weil hierbei der fiktive Charakter der Darstellung implizit ist. D. h. das es sich bei dieser Art der Darstellung um Phantasieprodukte handelt ist für den gesunden Menschenverstand ersichtlich.“ (Yeşilyurt 2007, S.1)

[2] Man könnte sich z.B. überlegen man ein Spielszenario vor dem Hintergrund der Neolithisierung erstellen, und verschiedene Erklärungsmodelle spielmechanisch verankern könnte.

McCall (2011) versucht dies durch Rückgriff auf existierende Spiele die erweiterbar sind wie das Beispiel „Civilization“ zeigt. Das würde zwar eine Transformation, höchst wahrscheinlich auch eine Reduktion wissenschaftlicher Erkenntnisse bedeuten, da alles an die Logik des Computers angepasst werden muss. Civilization kann man zwar nutzen, aber der militärisch expansionistische Charakter wird erhalten bleiben. Denkbar wären hier die Verdrängung der Jäger und Sammler Kulturen seit Beginn der Neolithisierung und der ökologische Wandel der mit der Sesshaftigkeit und der geänderten Wirtschaftsweise einhergeht.

[3] vgl. z.B. Abbott, Marcus (2013): Virtual Prehistoric Worlds. https://www.kickstarter.com/projects/1616707907/virtual-prehistoric-worlds?ref=discovery, 20.01.2015.