Archäologie und Mediengesellschaft

Medien ermöglichen den Zugang zu Wissen. Das Internet als frei zugängliche Informationszentrale der Menschheit hat die alten Medien, Film und Radio, abgelöst und integriert. Eine Nutzung der Medien als Plattform z.B. für archäologische Publikationen ermöglicht einer interessierten Öffentlichkeit die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Vergangenheit. Dadurch kann die Teilhabe an interpretativen Prozessen ermöglicht werden, da Ergebnisse transparent und einsehbar sind. Die Wissenschaft kann ihre Ergebnisse und Interpretationen einem interessierten Publikum zur Verfügung stellen und damit das akademische Privileg der Deutungshoheit untergraben. Zusätzlich ist auf einfachem Wege eine Moderation durch Wissenschaftler möglich. Spiele wie „The Elder Scrolls: Skyrim“ und „Civilization“ stehen für eine Popularisierung von und Auseinandersetzung mit Erkenntnissen aus Archäologie und Geschichtsforschung. Auf diese Art und Weise werden Menschen erreicht und beschäftigen sich mit der eigenen Vergangenheit. Vielleicht auch gerade junge Menschen, welche den Weg in Bibliotheken und Museen sonst eher gescheut hätten. Es gibt seit langer Zeit zahlreiche Fernsehdokumentationen zu historischen Themen. Die Aufbereitung der Forschung war in der Vergangenheit aber zumeist das Produkt der Arbeit von Journalisten und Filmschaffenden. Die Wissenschaft ist hier Aufhänger, begnügt sich aber meist mit der Statistenrolle. Die Präsentation, das Arrangement der Forschungsergebnisse, liegt oft in anderen Händen. Ähnlich verhält es sich bei Computerspielen.

Die Produzenten und Game Designer erschaffen einen Rahmen, der es den Spielern ermöglicht eigene Erfahrungen z.B. im Umgang mit Aspekten der Vergangenheit zu machen. Die Frage ist welche Rolle die Archäologie bei dieser Wissensvermittlung einnimmt und auf welche Art Einfluss genommen wird und Einfluss genommen werden könnte. Es ist die Frage nach dem archäologischen Selbstverständnis im Zeitalter einer neuen Medienlandschaft welche auf der Demokratisierung und Popularisierung von Wissen beruht. Computerspiele sind das Unterhaltungsmedium des Informationszeitalters und stellen einen Bereich dieser Popularisierung und Wissensvermittlung dar.

Die Archäologie hatte immer eine hohe Affinität zu Medien und Technik (vgl. Ebeling 2004, S.17). Die Archäologie etablierte sich im Kanon der Wissenschaften des späten 19. Jahrhunderts und ist somit ein Phänomen der Moderne (Holtorf 2012, S.8). Die Archäologie war schon immer auf Techniken angewiesen die es erlauben, die geborgenen materiellen Reste der Vergangenheit in ein anderes Medium zu überführen, da durch das Bergen der Artefakte diese ihrem ursprünglichen Trägermedium entzogen werden und dieses durch das Ausgraben zerstört wird (ebd.).

„Die Archäologie steht deswegen heute im Rampenlicht, weil sie die Abwesenheit, genauer gesagt die Medien und Archive ihrer Ersetzung, in das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stellen musste…“ (Ebeling 2004, S.22)

Die digitalen Medien sind fester Bestandteil heutiger Kommunikation und werden auch von Archäologen genutzt. Die Zusammenhänge zwischen historisch tradierter, archäologischer Kommunikation mittels öffentlicher Medien und die Thematisierung des Konflikts zwischen disziplinärer Exklusivität und einer Demokratisierung von Wissen sind auch Don Henson ein Anliegen (vgl. Henson 2013).

Henson sieht die Archäologie des 21. Jahrhunderts stärker denn je in der Rolle des Vermittlers zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Diese Mediation sei eine der Hauptaufgaben der Archäologie und dies sei auch historisch legitimiert (Henson 2013, S. 1ff). Ähnlich argumentiert Cornelius Holtorf (vgl. Holtorf 2010, 2012).

Die Hinterlassenschaften vergangener Zeit werden mittels der Archäologie aufbereitet und für die Öffentlichkeit des 21. Jahrhunderts konsumierbar gemacht. Die Archäologen stellen eine Verbindung her, zwischen den Menschen die gelebt haben, und denen die heute leben. Jedoch bleibt die Frage nach der Exklusivität dieser anhand von Hinterlassenschaften vergangener Kulturen erstellten Expertise seitens der Archäologen. Henson weist darauf hin, dass auch die Archäologen die Vergangenheit durch die individuelle Sicht der modernen Welt wahrnimmt und nennt dies ein „…re-enactement of past thought in the historian‘s own mind.“(Collingwood 1946, S. 215 in: Henson 2013, S. 1)

Das ist plausibel, da wir alle Teil der Gegenwartskultur sind, innerhalb dieser agieren und von dieser geprägt sind und diese beeinflussen können. Es waren jedoch gerade die ersten Massenmedien wie die Printmedien mit welchen Archäologen, sich direkt an die Öffentlichkeit wendend, wieder zu Akteuren der Wissensvermittlung wurden. Printmedien waren kostengünstig und für jeden erreichbar. Dies trug natürlich (wie auch bei anderen Wissenschaften) zu einer Popularisierung archäologischer Forschung bei. Die Verquickungen von Archäologie und Nationalismus bzw. Nationalsozialismus möchte ich hier außer Acht lassen. Es geht mir um Formate welche nicht, oder nicht in erster Linie dazu genutzt werden bestimmte Ideologien zu verbreiten oder zu festigen.

Diese Entwicklung setzte sich fort in der Verwendung des Radios, Berichte in Wochenschauen, und durch die Etablierung von TV Geräten ab den späten 1950er Jahren.

Laut Henson trug in Großbritannien Sir Mortimer Wheeler entscheidend dazu bei, die Archäologie außerhalb akademischer Kreise zu etablieren (vgl. Henson 2013, S. 2). Sir Mortimer Wheeler wurde durch Auftritte in zahlreichen Fernsehdokumentationen, ab den 1950er Jahren, einer größeren Öffentlichkeit bekannt und sah es als seine Aufgabe an, die Massenmedien zu nutzen um die Archäologie populärer und für ein breiteres Publikum zugänglicher zu machen. Er nutzte Printmedien, Radio und Fernsehauftritte gleichermaßen um sein Ziel zu erreichen.

In Deutschland setzte diese Entwicklung später ein, das bekannte TV-Format „Terra X“ z.B. wird seit den frühen 1980er Jahren gesendet und erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Auch der ursprüngliche Sendeplatz (meist sonntags um 19:30 Uhr) war darauf ausgerichtet, die ganze Familie zu erreichen. Aber hier ist das Format weniger auf prominente Persönlichkeiten der Archäologie hin ausgerichtet. Figuren wie Wheeler fehlen in der deutschen Nachkriegszeit, was auch dem Umstand geschuldet ist, dass viele Archäologen den Nationalsozialisten zugewandt waren und ihre Wissenschaft durch die Nähe zur Ideologie in Verruf geraten war. Das Interesse der Öffentlichkeit an Archäologie war jedoch, auch in den 1960er Jahren, im deutschsprachigen Raum vorhanden. Anklang fanden jedoch eher pseudowissenschaftliche Publikationen. Ein Bestsellerautor zu dieser Zeit war Erich von Däniken. Geprägt von einem esoterischen Weltverständnis und der Idee, Spuren außerirdischen Wirkens seien in archäologischen Hinterlassenschaften zu lesen, steht er eher dem Irrationalismus der Nationalsozialistischen Archäologie nahe. Nicht bezogen auf die Ideologie, sondern was die mangelhafte wissenschaftliche Verfahren und die Verifizierbarkeit seiner Annahmen angeht.

Das Fernsehen ist zudem ständig auf der Suche nach visuell ansprechenden Themen und spannenden Geschichten. Laut Henson (Henson 2013, S. 17) und Holtorf (Holtorf 2012, S. 25) kann die Archäologie beides bereitstellen.

Auf diesem Weg konnte die Archäologie ein Massenpublikum erreichen. Die Akzeptanz durch akademische Kreise variiert natürlich, die persönlichen Eindrücke während meines Studiums zeigten überwiegend Skepsis gegenüber TV-Formaten und populärwissenschaftlichen Publikationen (vgl. Yeşilyurt 2007). Jedoch möchte ich auf Grund dessen kein allgemeines Urteil fällen. Historienformate welche auf die breite Masse abzielen, haben die Tendenz eher reißerisch aufgebaut zu sein und das kriegerische Moment der Geschichte zu sehr zu fokussieren. Man kann in diesem Zusammenhang natürlich an die Medienkompetenz der Archäologen appellieren. Es handelt sich hierbei jedoch um Kompetenzen welche z.B. während des Studiums in Hamburg nicht vermittelt wurden.

Die Möglichkeiten zu nutzen, welche die Medien bieten, ist eine wichtige Vorrausetzung für die moderne Archäologie. Gerade was den Bereich der TV-Dokumentationen angeht lässt sich beobachten das Wissenschaftler immer mehr selbst zu Protagonisten werden und eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Formate einnehmen. TV-Formate eignen sich hervorragend dazu Wissen zu vermitteln und Einblicke in aktuelle Forschungen zu gewähren. Und das in jüngerer Vergangenheit, auch zumeist auf einem sehr hohen Niveau.[1]

Der subjektiv empfundene höhere Anteil an wissenschaftsnahen und anspruchsvolleren Formaten in den letzten Jahren ist meiner Meinung nach dem Umstand geschuldet, dass der Rahmen für Wissenschaftler attraktiver geworden ist. Inhaltliche Kompetenzen werden berücksichtigt und Verantwortung gleichmäßiger verteilt. Die Beteiligung durch Vertreter verschiedener themennaher Fachgebiete lässt Raum für Austausch und ist ganz im Sinne interdisziplinärer Forschungsansätze.[2]

Kontakte werden geknüpft und eine Zusammenarbeit liefert auch im Anschluss Möglichkeiten einer produktiven Zusammenarbeit. Die Fernsehproduktion an sich hat also auch eine vermittelnde Funktion. Menschen werden zusammengebracht die sich sonst vielleicht nicht begegnet wären. Es kann eine Bereicherung für Wissenschaft und Fernsehpublikum gleichermaßen sein.

Das seit den letzten Jahren stark diversifizierte TV-Angebot, welches in den zahlreichen Spartensendern[3] seinen Ausdruck findet, bietet zudem mehr Raum für spezifische Beiträge abseits des Mainstreams.

Das zeigt klar, dass eine Zusammenarbeit mit den Medien keineswegs eine Trivialisierung der Forschung und ihrer Ergebnisse zu Folge haben muss.

Ein Aspekt der bisher nicht berücksichtigt werden konnte ist die Teilhabe des Konsumenten, der Nutzer dieses Medienangebots. Interaktive Formate beginnen sich erst durch Computerspiele und das Internet zu etablieren, die Möglichkeiten einer Mitsprache und des Austauschs seitens der Konsumenten war bis zu diesem Zeitpunkt stark eingeschränkt.

Die Möglichkeiten sind nun seit einiger Zeit gegeben.

Die Etablierung des Internets ermöglicht es, die Konsumenten archäologischer Erkenntnisse mit einzubeziehen und in einen Dialog zu treten. Der Fokus meiner Arbeit liegt jedoch nicht auf Social-Media und dem Web 2.0 Standard, sondern auf der Betrachtung interaktiver, virtueller Spielumgebungen. Denn hier ist der Konsument auch handelndes Subjekt und wird entsprechend berücksichtigt.

Henson kritisiert (vgl. Henson 2011) das Informationen oftmals nicht zugänglich gemacht werden. Er charakterisiert Teile der Archäologie als weitestgehend hierarchisch und verweist auf ein fortleben elitärer Zirkel welche teure Print-Publikationen und Online- Bezahlinhalte einer Open Source Kultur gegenüber den Vorzug geben.

Könnte dies der Grund sein weshalb die mächtigen Werkzeuge des neuen Medienzeitalters wie Computerspiele und deren Potential weitestgehend unbeachtet und ungenutzt bleiben? Natürlich müssen Forschungen finanziert werden, und Finanzen sind meist an bestimmte Bedingungen geknüpft, welche u.a. auch das freie Publizieren verhindern. Auch geht seriösen Publikationen eine eingehende Prüfung durch Experten voraus. Es kommt auf ein ausgewogenes Verhältnis an, zwischen den althergebrachten Formen des Publizierens und der Nutzung digitaler Distributionswege. Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung sollten, wenn möglich, durch die Urheber direkt veröffentlicht werden, aber auch der Zugang zu ausgewählten Daten und Archiven sollte der Allgemeinheit ermöglicht werden. So könnten z.B. Archäologen direkt auf die Produzenten und Nutzer von Computerspielen zugehen und ihren Teil dazu beitragen, dass die Basis kreativen Schaffens und die Quellen wissenschaftlicher Erkenntnis und Arbeit die gleichen sein können.

Die Vergangenheit wird auf vielfältige Art und Weise erfahren und findet ihren Niederschlag in Alltag und Populärkultur. Henson (vgl. Henson 2013) fordert ein offeneres Verständnis bzgl. der Berücksichtigung und Betrachtung von Symbiosen zwischen Vergangenheit und Gegenwart welche innerhalb der Alltagskultur und Lebenswirklichkeit unserer Zeit stattfinden.

Computerspiele sind das Medium des Digitalzeitalters. Nichtlineare interaktive Geschichten werden erzählt und verlangen dem Benutzer teils einiges ab („Interaktion“), verglichen mit den passiven Medien des Rundfunkzeitalters. Computerspiele haben es generell schwer sich als Forschungsgegenstand in der akademischen Landschaft zu etablieren. Ihnen haftet, gerade in Deutschland, etwas destruktives und Infantiles an. Die Game Studies fristen bei uns überwiegend ein Nischendasein, die Anzahl der Akteure ist sehr überschaubar. Das erstaunliche an dem Phänomen Computerspiel ist, dass schon seit den Anfängen in den frühen 1980er Jahren ein Publikum existiert welches gerne gewillt ist sich mit Vergangenheit und Geschichte auseinanderzusetzen. Quasi unbemerkt von der akademischen Welt und unterhalb des Radars der Archäologie befriedigen hier Teile der Bevölkerung ihr Verlangen nach Geschichte und ihren zahlreichen narrativen Ausformungen.

Menschen die von den klassischen Bildungsinstitutionen nicht erreicht werden oder sich von dem klassischen Angebot nicht angesprochen fühlen nutzen Computer- und Videospiele auch dazu, ihrem Wissensdurst und Forschergeist zu befriedigen (vgl. villages Redux 2013). Wer sich in den teils sehr komplexen Spielwelten eines „The Elder Scrolls V: Skyrim“ oder „World of Warcraft“ zurechtfinden möchte, und diese Welt erfolgreich entschlüsselt, benötigt viel Fleiß und Neugier. Moderne Spiele helfen bei der Organisation von Spielwissen. Automatisches Kartographieren und ein spielimmanentes Dokumentationssystem z.B. durch Reisetagebücher und Gesprächsprotokolle helfen den Spielern den Überblick zu behalten.

In den frühen Tagen der Computerspiele fehlten diese Hilfsmittel. Wer im Spiel vorankommen wollte war gezwungen sich eigene Notizen zu machen und stets Karopapier bereitzuhalten um eine Karte der Spielwelt anzufertigen. Um die Geheimnisse der Spielwelt zu lüften ist ein analytisches Vorgehen von Nöten. Eine ähnliche Einstellung hinsichtlich Begeisterung und Arbeitsweise kann man auch bei Historikern und Archäologen beobachten. Die komplette Dokumentation von Spielwelten durch Spieler, in Internetforen und Wikis, zeigt ein Interesse am erforschen und Dokumentieren.[4] Eine Beschäftigung die über das „Spielen“ hinausgeht.

Das gerne historische Szenarien für Spiele und Simulationen verwendet werden und auch beim Publikum sehr beliebt sind zeigt ein Potential welches dort, fern ab des akademischen Zugriffs, existiert.

Es ist dem Interesse der Entwickler und Designer geschuldet und dem Engagement und der Bereitschaft des Publikums das diese Möglichkeit der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit besteht. Virtuelles Re-enactement hat Hochkonjunktur. Das archäologische Kommunizieren, wie Henson es nennt, muss diese Bereiche in Zukunft stärker berücksichtigen und fokussieren. Gegenüber den passiven Medien verlangen Computerspiele ein intensiveres Einarbeiten in die Welt. Internetforen werden von tausenden Spielern genutzt um Fragen zur Spielwelt zu beantworten und ihre Interpretationen zu diskutieren. Auch das Interesse an den Ergebnissen historischer Forschungen wird dadurch geweckt, oder diese durch Spielumgebungen bereitgestellt (vgl. Kapitel „Hullcraft“).  Dabei bieten die Spiele ein individuelles Erfahrungspotential und lassen den Spieler vergangene Epochen bereisen. Architektur, Gemeinschaft, Flora und Fauna, Technik und Kleidung – all dies wird dem Spieler präsentiert auf eine Art und Weise wie es kein Buch oder Film je bewerkstelligen könnte.

Cornelius Holtorf (vgl. Holtorf 2012) sieht die Hauptaufgaben einer Archäologie des 21. Jahrhunderts in der Beschäftigung mit dem Prozess der Vergegenwärtigung von historischen Hinterlassenschaften, und wie diese in unseren Alltag integriert werden. Holtorf verweist dabei auf das Konzept der Geschichtskultur bzw. einer Vergangenheitsvergegenwärtigungskultur.

Hier soll untersucht werden, auf welche Art Aspekte von Vergangenheit in unserer gegenwärtigen Alltagskultur ihren Niederschlag finden (ebd. 2012).

Auch weist er darauf hin, dass diese zahlreichen neuen Medienformate nicht ungenutzt bleiben können und nur unter Rückgriff auf diese die Archäologie und Geschichtswissenschaft ihrem didaktisch-gesellschaftlichen Auftrag erfüllen kann.

Millionen von Menschen investieren hunderte von Stunden innerhalb der historischen Szenarien der Computerspielwelten. Nicht wenige nutzen die beigelegten Modifikations-Werkzeuge einiger Spiele um ihre eigene Interpretation von Vergangenheit zu modellieren und für andere Spieler zugänglich zu machen. Sie werden somit selbst zu Game- und Leveldesignern und produzieren Inhalte.

Um dies zu belegen lohnt ein Blick auf den Steam Workshop zu „The Elder Scrolls V: Skyrim“, hier werden tausende Modifikationen zu allen Aspekten des Spiels angeboten was meine Behauptung im mehr als ausreichenden Maße belegen dürfte.[5]

In diesen Foren werden Arbeitsgruppen gegründet um Spiele realistischer zu gestalten, Konflikte nachzustellen und die eigene regionale Geschichte in das Spiel zu integrieren. Das reicht von einzelnen lokalen Sehenswürdigkeiten bis hin zur Modellierung mittelalterlicher oder steinzeitlicher Dörfer[6] , verschiedenster architektonische Stile und Epochen und penibler Rekonstruktion von Kleidung oder Waffen.

„Stories about the past allow human beings to make sense not only of the past but also of their own world in the present“ (Holtorf 2012, S.25)

Da Holtorf (ebd. 2012) mehrfach auf den Begriff der Geschichtskultur hinweist und diesen für unabdingbar hält für eine moderne Archäologie und für das Verständnis eines mit zahlreichen Elementen der Vergangenheit angereicherten Alltags möchte ich im Folgenden etwas zu der Entstehung des Begriffs im Allgemeinen und dessen Gebrauch in einem archäologischen Kontext verlauten lassen. Dies ist auch als Ergänzung zu den Ausführungen Hensons (vgl. Henson 2013) zu verstehen.

Der Begriff der Geschichtskultur bezeichnet einen Forschungsbereich der Geschichtsdidaktik und beschäftigt sich mit der alltagsweltlichen Präsentation von Geschichte. Dies beinhaltet Ästhetik, Imagination und den fiktionalen Umgang mit Geschichte.

Der Ausdruck bzw. der Niederschlag einer Geschichtskultur auf individueller Erfahrungsebene ist das Geschichtsbewusstsein. Die beiden Begriffe wurden in den späten 1970er Jahren geprägt, und waren Ausdruck des Bedürfnisses, in einer sich etablierenden Mediengesellschaft den ihr innewohnenden erinnerungskulturellen Mechanismen habhaft zu werden, und in den wissenschaftlichen Diskurs zu integrieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auf Jeissmann (1977), Pandel (1987), Rüsen (1997), und Bergmann (1997) verweisen welche die Diskussion und Literatur in diesem Bereich maßgeblich geprägt haben.

Auch Holtorf (vgl. Holtorf 2011) weist darauf hin, dass die verschiedenen, intermedialen Ausdrucksformen und Repräsentationen von Geschichte längst keine Domäne der Wissenschaft mehr sind. Vielmehr vermischen sich Fakten, Fiktion und (Computer-) Simulation und ergeben ein weites Spektrum geschichtskultureller Erinnerungsformate. Setzt die Archäologie weiterhin überwiegend auf etablierte Praktiken der Wissensweitergabe und Publikation von Forschungsergebnissen, so verliert man evtl. auch die Verbindung zu zeitgenössischen Ausdrucksformen. Die Archäologie setzt so über kurz oder lang ihre gesellschaftliche Relevanz aufs Spiel. Es geht darum die fachliche Kompetenz hinsichtlich geschichtskultureller Aspekte der digitalen Medien zu erweitern.

Niemals zuvor wurde soviel gespielt wie heute. Der Spaß am Computerspiel und allem was dazu gehört ist längt nicht mehr auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen beschränkt und ist zu einem Massenphänomen geworden.[7]

Auch die Wirtschaft hat längst das Potential erkannt was hinter der sog. „Gamification“ steckt und versucht dies, mithilfe der Wissenschaft, zu analysieren und zu nutzen.

„Gut gemachte Spiele sind so erfolgreich, dass sie Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten und Kulturkreisen fesseln können.Dieser Effekt hat natürlich die Wissenschaft und auch uns (Anm. die Wirtschaft) neugierig gemacht. Daher analysieren wir die Erfolgsmechanismen aller möglichen spielerischen Umgebungen…um sie anschließend auf Tätigkeiten im beruflichen und privaten Alltag, in die Lehre, oder auch auf gesellschaftlicher Ebene zu übertragen. Das ist der Grundgedanke der Gamification.“ (Rackwitz 2015)

Auch die Archäologie könnte sich entsprechende Konzepte zu Nutze machen, wie es z.B. Projekte wie „Hullcraft“ bereits versuchen.

Die Archäologie hat es zudem immer verstanden ihre eigene Geschichte und die der Vergangenheit (medial) zu erzählen. Nicht nur die Funde und deren Interpretation bereichern unsere Kultur, es sind auch die Geschichten über Archäologen und ihre Abenteuer welche fester Bestandteil unserer Mediengesellschaft sind.

Egal ob Literatur, Film oder Computerspiel – archäologische Geschichten erreichen ein Massenpublikum. Dabei regen sie an, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und ermöglichen ein besseres Verständnis der Gegenwart und unserer heutigen Kulturen. Die Archäologie kann Gemeinsamkeiten betonen, schafft Toleranz und kann ein friedliches Zusammenleben der Menschen unterstützen. Natürlich gibt es noch viele andere Faktoren die größeren Einfluss auf unser Zusammenleben haben, jedoch sind Akzeptanz und gegenseitiges Verständnis die Voraussetzungen, welche eine moderne Archäologie mit schaffen kann. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals auf Holtorf und Henson verweisen. Beide betonen die Wichtigkeit der Archäologie für die Etablierung demokratischer Werte und für ein besseres Verständnis der eigenen und damit auch gegenüber fremden Kulturen (vgl. Henson 2013).

Interessant ist auch die Frage warum Menschen sich für die Archäologie begeistern und sich engagieren. Benjamin Bloom und Howard Gardner weisen darauf hin, dass es bisher nur wenig Erkenntnisse und Nachforschungen darüber gibt, wie Menschen zur Archäologie kommen (vgl. Gardner 2007). Computerspiele können vielleicht auch ihren Teil dazu beigetragen haben, Neugierde für die Archäologie zu wecken ein positives Image wird nicht in allen Fällen erzeugt, betrachtet man die Herstellerversion von „Civilization V“. Obwohl kaum Archäologen in den Prozess der Spieleentwicklung involviert sind tragen diese Formate Aspekte der Archäologie in die Öffentlichkeit. Gerade ein junges Publikum wird durch Spiele wie „Civilization V“, „World of Warcraft“ und The Elder Scrolls V: Skyrim“ auf die Archäologie aufmerksam. Das Format ist wichtig, weil es sich um eine Zielgruppe handelt die von herkömmlichen Formaten, seien es Printmedien oder TV, evtl. nicht mehr erreicht werden.

„Archaeology was never only a technical exercise in recovering the remains of the past. It was always concerned with communicating and making the past live again in the present.“ (Henson, 2012, S.1)

Und genau hier treffen sich Archäologie und Computerspiel. Computerspiele sind Teil einer lebendigen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und auch Ausdruck einer zeitgenössischen Erinnerungskultur.

„Archaeology appeals to intellectual curiosity and problem solving; excavation and survey involves as much standing around thinking as digging“

(Henson 2011b, S.2)

Ein weiterer Punkt für Computerspiele wie „The Elder Scrolls V: Skyrim“. Der Spieler befindet sich in einer offenen Welt und muss in der Lage sein sich diese selbst zu erschließen. Der Spieler muss die Spuren der virtuellen Welt deuten können, eigene Fragestellungen entwickeln und in einem hohen Maße problemorientiertes Handeln entwickeln um Geheimnisse und Mythen aufzuklären, Artefakte aufzuspüren und Fortschritt zu generieren.

Der Spieler muss des Weiteren gewillt sein in eine Rolle zu schlüpfen und die (Spiel-)Welt aus der Perspektive des Protagonisten wahrzunehmen. Das bedeutet, das der Spieler sich in einem Prozess der individuellen Wissensaneignung befindet und sich bestimmte Repräsentationsformen einer Vergangenheit aneignet und diese erfährt.

Für die von mir ausgewählten Beispiele beinhaltet dies sowohl einen individuellen Umgang mit der Geschichte als auch eine direkte Konfrontation mit der Archäologie.

Michael Shanks (Shanks 1989,1992) gehört neben Christopher Tilley zu den Archäologen welche ab den späten 1980er Jahren eine „kritische Archäologie“ propagierten und durch ihre Forderungen und Thesen ein Umdenken in etablierten Kreisen der archäologischen Wissensbildung und Vermittlung erreichen wollten und konnten. Auch die Beiträge Holtorfs und Hensons stehen in dieser Tradition. Gerade Shanks (in: Müller-Scheeßel 1998) setzte sich für eine Öffnung und Demokratisierung bei der Produktion von archäologischem Wissen ein und richtete sich explizit an eine nichtwissenschaftliche Öffentlichkeit. Die Deutung von Vergangenheit könne nicht Domäne eines selbsternannten autoritären Zirkels sein, so Shanks (ebd. 1998), da dies einer Bevormundung weiter Teile einer interessierten Öffentlichkeit gleichkäme. Stattdessen sieht er in der Archäologie ein Hilfsmittel (ähnlich argumentieren Holtorf / Henson Jahre später mit der Rolle des Mediators, (vgl. Henson 2013, Holtorf 2013) welches den Menschen zu Seite steht bei den Versuchen die Vergangenheit zu deuten und zu erfassen.

Diese Demokratisierung der Interpretation der Vergangenheit findet im Bereich der Computerspiele längst statt, jedoch zumeist ohne die Hilfe der Archäologie.Die Wichtigkeit von Texten als Form der eigentlichen Materialisierung archäologischer Diskurse beinhalte auch, die Nähe zwischen Archäologie und Fiktion zu erkennen und zu akzeptieren und dies zu nutzen um den Leser (das Publikum) besser einzubinden (vgl. Müller-Scheeßel 1998).Das Potential von Computerspielen, welche die bisherigen Medienformate in sich vereinigen, kann also, berücksichtigt man die Aussagen Shanks und Tilleys, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie sind Ausdruck eines lebendigen Prozesses von vergegenwärtigter Vergangenheit.

Anfangs habe ich u.a. auf positive Beispiele bei TV-Produktionen hingewiesen. Der didaktische Gehalt des Mediums Fernsehen mit seinen zahlreichen Dokumentationsformaten kann Ergänzung und Bereicherung zur Fachliteratur sein.

Fragen und Anregungen welche durch die Dokumentationen aufgeworfen werden lassen sich heutzutage zeitnah und effizient durch Internetrecherche und Diskussion mit anderen Nutzern klären. Die klassische Bibliotheksarbeit ist heute kaum mehr nötig, da die Fachliteratur zumeist auch online abrufbar ist.

Die Zusammenarbeit zwischen Medienproduzenten und Wissenschaftlern wie sie inzwischen im TV-Bereich praktiziert wird, würde ich mir auch für den Bereich der neuen Medien wünschen. Auch hier könnten Medienproduzenten einen Teil der Arbeit und Verantwortung abgeben und einen Austausch ermöglichen. Wie könnte man z.B. ein „Civilization“ modifizieren, wenn man Psychologen, Soziologen, Historiker und Archäologen ermöglicht ihre Erkenntnisse einzubringen? Die Aufgabe der Historiker und Archäologen müsste es sein, ihre Rolle als Mediatoren stärker einzufordern. Dazu gehört, dass die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung frei zugänglich sind, und das Interessierten der Zugang zu Archiven und Sammlungen ermöglicht wird. Für eine eben solche aktive Beteiligung spricht sich u.a. der Historiker Stefan Wesener[8] aus.

Ein Apell der für mich als Konsequenz eine Öffnung der digitalisierten Datenbestände archäologischer und historischer Archive zur Folge haben müsste.

 

 

[1] Z.B. die Dokumentation „Fußspuren in die Vergangenheit” von Sylvia Strasser (Paolo-Film). An der Dokumentation beteiligt waren u.a. der Prähistoriker Andreas Pastoors, der Fährtensucher C/wi Kxunta, die amerikanische Anthropologin Megan Biesele, der Fährtensucher Tsamkxao Cigae, der französische Archäologe Jean Clottes, der Fährtensucher C/wi Thao, der Felsbildarchäologe Tilman Lenssen-Erz und der französische Prähistoriker Robert Bégouën.

[2] Siehe Fußnote 45.

[3] Betrifft öffentlich-rechtliche Kanäle wie Arte, ZDF Info, ZDF Neo, Phoenix, ARD Alpha als auch die Spartensender des Pay-TV wie Discovery Channel, History Channel oder Spiegel Geschichte.

[4] Z.B. ein bekanntes „The Elder Scrolls Wiki“ mit mehr als 28.000 Seiten. http://elderscrolls.wikia.com/wiki/The_Elder_Scrolls_Wiki, 20.01.2015.

[5] Es dürften ca. 50.000 Modifikationen sein die hier allein über die Plattform Steam zum Download angeboten werden. http://steamcommunity.com/app/72850/workshop/, 20.01.2015.

[6] Siehe hierzu die Diskussion zur Skyrim Mod für die Wikinger Ära :

http://www.moddb.com/forum/thread/a-skyrim-total-conversion-viking-mod

Oder auch die Nachmodellierung eines typischen Fischerdorfes der Wikinger-

Zeit: http://forums.nexusmods.com/index.php?/topic/880745-the-real-norse-village-of-norham/

Hier eine Übersicht an Modifikationen welche für mehr Realismus sorgen:

http://arwenevecom.ipage.com/Skyrim/Skyrim_Mods04.htm, alle besucht 20.09.2014.

[7] Die Weltbevölkerung spielt ca. 3 Milliarden Stunden pro Woche. Die Spieleindustrie hat in Deutschland 2013 nahezu 2 Milliarden Euro umgesetzt, die Altersverteilung bei Spielern ist relativ ausgewogen, und liegt bei 10% (0-9 Jahre), 19% 10-19 Jahre, 18% (20-29 Jahre), 16% (30-39 Jahre), 17% (40-49 Jahre), 20% (50+ Jahre). In Deutschland spielen rund 25 Millionen Menschen regelmäßig. (Vgl. Rackwitz 2015)

[8] „Für wirklich transferanregende virtuelle Welten mit historischem Bezug wäre es wünschenswert, dass Geschichtswissenschaftler und -didaktiker sich für die Mitarbeit an Spielen begeistern….“ (Wesener 2012, S.162)