Einleitung

In dieser Arbeit werden Spiele bzw. Spielumgebungen untersucht, die Geschichte simulieren und Konstruieren können. Die Geschichten, die in vielen Spielen erzählt werden, stellen auch Interpretationen dar, welche Bezug zur Gegenwart und politischen Ereignissen haben (vgl. Friedmann 1999, Galloway 2007, Nohr/Wiemer 2008). Sie entstammen einem Bedürfnis, Teile der Vergangenheit in die Gegenwart zu transportieren. Man denke an den historischen Bezug bei vielen Strategiesimulationen. Auch ist die nähe zu Brettspielen und militärischen Konfliktsimulationen, als deren Vorläufer klar erkennbar (vgl. Pias 2008, S.198-230). Open World Fantasy Rollenspiele stehen in der romantischen Tradition des Eskapismus und basieren zu allererst auf den beliebten Pen- und Paper Rollenspielen der 1970er Jahre (AD&D)Auch wenn einem heute bei  dem entfliehen aus der modernen Welt ein hochtechnologisches Medium dazu genutzt wird. Hier wird die Vergangenheit wahrgenommen durch die technischen Möglichkeiten des Informationszeitalters.

Neben den narrativen Aspekten, welche auch früheren Medien zu Eigen sind, verfügen Computerspiele zusätzlich über ganz eigene Charakteristika. Computerspiele sind das Unterhaltungsmedium des Digitalzeitalters und beruhen auf den Prinzipien der Informatik. Ein Medienformat was eng verknüpft ist mit den technischen Spezifikationen der Geräte die dies ermöglichen. Es handelt sich um ein interaktives Format, welches sich deutlich von bisherigen Medien wie Literatur und Film unterscheidet, auf die Mittel der Vorgängermedien aber in vollem Umfang zurückgreifen kann. Spiele vermitteln Wissen, und Techniken sich dieses Anzueignen. Der Einsatz Schulunterricht (z.B. ‘Civilization“) verdeutlicht das Potential von Computerspielen als Werkzeuge der Wissensvermittlung.

Computerspiele sind dabei noch mehr als ein Medium, ich beziehe mich hier auf Holtorf und Pias (2007, S. 9-10) welche Computerspiele nicht als Spielzeuge, sondern als Kulturtechnik begreifen. In dem Sinne sind Kulturtechniken Medien die erlebbare Wirklichkeit von Kulturen konstituieren (ebd.). Auch Michael Shanks begreift die Archäologie als Sozialwissenschaft und vor diesem Hintergrund als Kulturtechnik. Die Archäologie sei nicht als eine Disziplin zu verstehen, welche nur objektives Wissen über die Vergangenheit anhäuft. (Shanks 1991, S.163). Das bedeutet für mich, dass die Archäologie sich, neben der reinen Wissenschaft, auch mit den verschiedenen Ausdruckformen und Orten vergegenwärtigter Vergangenheiten beschäftigen sollte.

Da die Archäologie schon immer eine hohe Affinität zu Medien hatte und auch neuen Technologien gegenüber stets aufgeschlossen war, sehe ich in einer zukünftigen Nutzung, bis hin zur aktiven Beteiligung an der Spieleentwicklung, viele Möglichkeiten und Chancen für die Archäologie. Die klassische Schnittstelle zur Öffentlichkeit sind Museen und Ausstellungen. Hier wird Archäologie präsentiert und ganz im Sinne der Forschung dargestellt und auch medial verarbeitet.

Die Archäologie sollte Bindeglied sein zwischen unserer Gegenwart und einer möglichen Vergangenheit, gerade auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten digitaler Medien und Techniken. Computerspiele sind Teil der digitalen Revolution, ein Medium der Partizipation und Wissensvermittlung, und somit eng verknüpft mit Aspekten des Informationszeitalters und einer Demokratisierung von Wissen. Computerspiele sind das Leitmedium unserer Zeit (Neumann 2008, Neitzel 2008 S. 61-62). Ebenso handelt es sich um unser digitales kulturelles Erbe. Ich halte es sogar in einem gewissen Rahmen für wahrscheinlich, dass sich Computerspielumgebungen als archäologisches Leitmedium etablieren werden. Neben wirkungsvollen Lehr- und Lernumgebungen (Staupe 2007, S.7) stellen Computerspiele Räume und Archive von Wissen dar.

Der durch die Spielmechanik implementierte Simulationscharakter erlaubt zudem archäologische Fragestellungen und kann zu neuen Erkenntnissen über die Vergangenheit führen. Die Archäologie digitalisiert bereits seit längerem ihre Datenbestände und Archive, und durch neue Aufzeichnungstechnologien („3D environmental Scanner“) werden bereits im großen Umfang genutzt und Daten zu Funden und Fundsituationen erfasst, die in irgendeiner Form zugänglich gemacht und archiviert werden müssen. Eine Aufbereitung und Verknüpfung dieser (Roh)Daten bietet sich auf Grund der Passgenauigkeit und Kompatibilität an um direkt innerhalb virtueller Forschungsumgebungen Verwendung zu finden. Dies ist ein plausibler Weg diese Daten zu nutzen, innerfachlich als auch als Rekonstruktionen die einer Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können. Vorbild können auch hier die Verfahren sein die bereits bei der Produktion von Computerspielen angewendet werden. Diese Technologien werden schon seit längerem von Firmen oder Privatpersonen genutzt, was einen Austausch im Sinne der Weitergabe archäologischer Umgebungsdaten plausibel erscheinen lässt. Menschen verbringen viel Zeit im Virtuellen Raum, das ist längst nicht auf Spiele beschränkt. Es sind Orte des sozialen und kulturellen Austauschs, ein nicht unerheblicher Teil unseres sozialen Lebens kann im Internet stattfinden. Wir kommunizieren mit anderen Menschen über das Internet, pflegen Kontakte und Freundschaften und nutzen die verschiedenen Angebote um Zugang zu Informationen und Wissen zu erhalten. Das gilt für die Freizeit ebenso wie für die Arbeitswelt, wo ein Umgang mit den neuen Technologien und Kommunikationswerkzeugen vorausgesetzt wird.

Auch Spiele sind ein wichtiger Teil dieser digitalen Kommunikations- und Wissensorte. Da ein nicht unerheblicher Teil der Lebenszeit in den Welten von Onlinespielen wie „World of Warcraft“ oder „Minecraft“ verbracht wird und auch die Beschäftigung mit „The Elder Scrolls: Skyrim“ weit über das reine Spiel hinausgeht. Es handelt es sich um Orte in denen historisches Wissen vermittelt werden kann. Es handelt sich bei Computerspielen nicht nur um ein neues Medienformat, sondern auch um (wie bereits erwähnt) eine Kulturtechnik, eine soziale Praxis und Realität, die je nach Verwendung, ihren Anteil an der Sozialisation von Individuen hat. Betrachtet man Computerspiele als Träger eines zumeist fiktiven historischen Wissens wird klar, dass es seitens der Archäologie wichtig ist, auf diesen Prozess der Wissensaneignung einzuwirken. Die Archäologie selbst kann als ein sozialer Prozess verstanden werden, welcher ein „gesellschaftliches Bedürfnis nach Selbstlegitimierung der eigenen Gegenwart“ (Ickerodt 2004, S.261) unterstützt.

Die in Alltagswissen (welches ebenso in Spielen verhandelt wird) übergegangene archäologische Erkenntnis findet auch in den visuell beeindruckenden Computerspielwelten ihren Ausdruck. Ich möchte folgende Thesen mit dieser Arbeit darstellen, erklären und begründen:

  • Eine Archäologie ist ohne Medien und die Techniken ihrer Benutzung nicht denkbar. Spiele sind das Medium des Digitalzeitalters, woraus für mich folgt, dass unter Berücksichtigung der archäologischen Tradition einer Mediennutzung, Mechanismen und Techniken von Computerspielen für fachliche Zwecke, und um eine Öffentlichkeit zu erreichen, genutzt werden sollten.
  • Archäologen erfassen bereits Unmengen von digitalen Daten. Aber wie werden diese weiterverarbeitet und genutzt? Eine logische Konsequenz sollte es sein, diese in Computerspielumgebungen zu integrieren und sich „Gamification“ Konzepte zu nutzen. Wie oder wo sonst sollte man die verschiedenen Kategorien von Daten aus digitalen Archiven logisch und strukturell miteinander verknüpfen?
  • Wenn die Archäologie auf entsprechende Umgebungen zurückgreifen kann, ist es wichtig Verfahren zur Dokumentation virtueller Umgebungen zu entwickeln. Gerade dann, wenn diese als Gegenstand von Forschung zu neuen Erkenntnissen verhelfen können. Es handelt sich dann um Orte von archäologischem Interesse die bewahrt werden müssen.
  • Die seit einigen Jahren praktizierte Digitalisierung archäologischer Datenbestände und Archive liefert die Basis für einen regen Austausch mit der Öffentlichkeit und interessierten aus dem kreativen Umfeld von am Prozess der Spieleentwicklung beteiligter Protagonisten.

Wenn ich mir eine gewagte Prognose erlauben darf : Computerspiele bzw. Computerspielumgebungen könnten selbst zu dem meistgenutzten archäologischem Medium der Zukunft werden.